Die Rückführung von Dienstleistungen und Unternehmen in Gemeineigentum ist möglich. Die aktuelle Ausgabe von LuXemburg. Gesellschaftsanalyse und linke Praxis (1/2022) beschäftigt sich unter dem Titel „Besitz ergreifen“ mit dem Thema Vergesellschaftung.
Vergesellschaftung ist möglich
Kleine Schritte hin zur Vergesellschaftung können die Ausweitung demokratischer Rechte durch öffentliche Beteiligung an privaten Konzernen sein. Die öffentliche Beteiligung an Unternehmen muss eine stärkere Mitbestimmung von Beschäftigten, Gewerkschaften, Umweltverbänden und der Bevölkerung zur Folge haben. Weitere Möglichkeiten sind der Rück-/Kauf (Re-/Kommunalisierung) von Unternehmen oder die Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes.
Grundgesetz Art. 15
Art. 15 besagt, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel […] in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“ können. Das Grundgesetz sieht also ausdrücklich vor, dass bestimmte Bereiche unserer Wirtschaft dem Markt entzogen, vergesellschaftet, gemeinwirtschaftlich organisiert und demokratisch verwaltet werden können, sofern der Gesetzgeber das beschließt. Die IG Metall startete in den 1980er Jahren einen Vorstoß zur Vergesellschaftung der Stahlindustrie.
Vergesellschaftung durch Kommune
Ein gängiges Mittel der Vergemeinschaftung ist das Gründen kommunaler Betriebe oder der Rückkauf privatisierter Infrastruktur durch die Gemeinde. Zwischen 2005 und 2016 gab es im Bereich Strom- und Gasverteilnetze zum Beispiel 152 Neugründungen von Stadt-, Gemeinde- und Regionalwerken. Auch bei der Gebäudereinigung spielt die Gemeinde als Arbeitgeber wieder eine stärkere Rolle. Zahlreiche Kommunen brachten ihre einst verkauften Wohnungsbestände oder das örtliche Krankenhaus wieder in öffentlichen Besitz. Seit der Rekommunalisierung des Wasserwerks Rostock sanken die Preise für Wasser um 24 Prozent, während die Löhne der Beschäftigten zwischen 12 und 25 Prozent stiegen.
Kohleausstieg und Konferenzen
Neben bestehender Infrastruktur sollten auch die Strukturhilfen für den Kohleausstieg oder Fonds zur Klimaanpassung öffentlich-demokratisch organisiert sein. Besonders der Umstieg gestaltet sich schwierig. Denn die demokratische Verwaltung, Steuerung und Kontrolle stellen riesige Herausforderungen dar. Wer ist zum Beispiel an welchen Stellen der gesellschaftlichen Aushandlungs- und Planungsprozesse einzubeziehen? Im Herbst 2022 wird unter Mitwirkung der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Konferenz unter dem Titel „Vergesellschaftung – Strategien für eine demokratische Wirtschaft“ stattfinden. Dies gibt den Auseinandersetzungen um die Krankenhaus- und Pflegekonzerne, um die Sicherung privater Daten und digitaler Infrastrukturen, um die Mobilitäts- und Energiewende, die Wohnraumversorgung und eine neue Bodenpolitik einen frischen und nützlichen Impuls.
Weiterführende Links:
- Luxemburg (1/2022): Believe the hype! Vergesellschaftung kann ein Kompass für die Erneuerung der Linken sein – https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/believe-the-hype/
- Luxemburg (1/2022): Was kann Artikel 15 Grundgesetz? https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/artikel-15-grundgesetz/