Dankbarkeit für die große Hilfsbereitschaft in Schwabach für geflohene Ukrainerinnen und ihre Kinder, aber auch Achtung gegenüber den Russ*innen, die in ihrem Land gegen den Krieg demonstrieren waren die wichtigsten Anliegen der vierten Mahnwache gegen den Russland-Ukraine-Krieg. Es sprachen Redner mehrerer Stadtratsparteien.
Dank an russische Kriegsgegner*innen
Stadtrat Jonas Wagner (Die Linke) gab dem Entsetzen der jungen Generation Ausdruck, für die ein Krieg in Europa bisher unvorstellbar war. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen kennen Worte wie „Kalter Krieg“ oder „Wiedervereinigung“ nur noch aus Schulbüchern. Ihnen bliebe nichts anderes übrig, als mit ihrer Anwesenheit bei Kundgebungen ein Zeichen gegen den Völkerrechtsbruch Russlands und stattfindende Kriegsverbrechen zu setzen. Sein Dank galt neben allen Menschen, die humanitäre Hilfe leisteten, besonders den regimekritischen Russ*innen, die sich Putin entgegenstellten. Dieser Protest, der mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werde, sei ein mutiger Beweis, dass man Menschenwürde nicht mit Unterdrückung zerstören könne.
Überwältigende Unterstützung
Oberbürgermeister Peter Reiß (SPD) griff diesen Gedanken auf. „In 37 russischen Städten wurde gegen den Krieg protestiert, 14.000 Demonstrant*innen verhaftet“, verdeutlichte er die staatlichen Repressionen in Russland. Bisher seien ca. 270 Menschen nach Schwabach gekommen. Die Unterstützung sei überwältigend. Das Asyl-Cafe biete z.B. Deutschkurse an, viele Bürger*innen stellten Wohnungen zur Verfügung. Reiß bat auch die Schulen und Sportvereine um Verständnis, da zwei Turnhallen als Notunterkünfte zur Erstaufnahme genutzt werden müssen. Pro Woche kämen weit mehr Flüchtlinge in die Goldschlägerstadt als im Syrischen Bürgerkrieg 2015.
Sonne und Wind für den Frieden
Klaus Neunhoefer (Fraktionssprecher B90/Grüne) forderte den russischen Präsidenten Putin auf, seine Truppen sofort auf russisches Gebiet zurückzuziehen und auf Forderungen zu verzichten. Mit Blick auf mögliche Sanktionen erläuterte er, dass die Abkehr von Öl und Gas hin zu erneuerbaren Energien große Bedeutung habe. „Klimapolitik ist Friedenspolitik“, fasste er die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zusammen.
Russlands Unterstützung schwindet
Sascha Müller (B90/Grüne, MdB) wies darauf hin, dass der internationale Rückhalt Putins schwinde. In der UN-Versammlung hätten lediglich Belarus, Nordkorea, Eritrea und Syrien die Politik Russlands unterstützt. Er hoffe, dass die bisherigen Sanktionen gegen die russische Zentralbank sowie putinnahe Oligarchen Wirkung zeigten. Mit Bezug auf die Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Bundestag zeigte er sich selbstkritisch, dass die Parteien im anschließenden Streit um die Einhaltung der Tagesordnung kein gutes Bild abgegeben hätten.
Hintergrund: Pressefreiheit in Russland
Russ*innen droht durch die Weitergabe von „falschen“ Berichten (kritische Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine) künftig lange Haftstrafen. Aufgrund dieser massiven Einschränkungen stellte das unabhängige Nachrichtenportal „Znak“ aus Jekaterinburg seine Arbeit ein. Der Radiosender „Echo Moskwy“ gab nach einem staatlichen Sendeverbot seine Auflösung bekannt. Der unabhängige Fernsehsender „Doschd“ wurde verboten. Die „Novaja Gaseta“, deren Chefredakteur Dmitri Muratow 2021 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, zensiert sich nun selbst, in dem sie keine Nachrichten mehr über den Krieg in der Ukraine veröffentlicht. Die russische Medienaufsicht blockiert Facebook, Instagram und Twitter. Ebenso war das Onlineangebot der Deutschen Welle oder Radio Free Europe nicht mehr abrufbar. Viele junge Blogger*innen haben das Land verlassen.
Die russische TV-Journalistin Marina Owssjannikowa hielt in der Sendung „Wremja“ des Senders Perwy Kanal ein Plakat mit der Aufschrift „Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen“ in die Kamera. Bevor die Live-Übertragung abbrach, rief sie „Stoppt den Krieg!“. Bisher wurde sie zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel verurteilt. Wegen „Verbreitung von Lügen über Russlands Streitkräfte“ können ihr bis zu 15 Jahre Haft drohen.