Europas Kolonien: Gewinnsucht und Ausbeutung

14. Juni 2022  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Kolonien um 1920 (Randomastwriter, CC BY-SA 3.0)

Kolonien zur Bereicherung skrupelloser Privatpersonen dank der Zusammenarbeit europäischer und indigener Eliten. So charakterisierte Prof. em. Dr. Wolfgang Reinhard die europäische Unterwerfung der Welt bei einem Vortrag der Stiftung Demokratie Saarland.

Spanien: Eroberung als Privatunternehmen

„Vor 500 Jahren, 1522, wurde Hernando Cortez vom spanischen König Karl I. (Kaiser Karl V.) zum Statthalter Neu-Spaniens ernannt“, erläuterte Reinhard. Cortez stammte aus niederem Adel und war auf Hispaniola (heute: Haiti) durch Sklavenbesitz zu Geld gekommen. 1519 rüstete der Privatier eine Flotte aus, mit der er zur Küste Mexikos aufbrach, wo er die Stadt Veracruz gründete. Die dortigen Vasallenstämme sahen die Spanier als Befreier vom aztekischen Joch und stellten neben ortskundigen Kundschaftern auch eine Vielzahl einheimischer Truppen. Nachdem die Azteken durch eine eingeschleppte Pockenepidemie, die tausende Tote forderte, stark geschwächt waren, nahm Cortez die im Texcoco-See gelegene Hauptstadt Tenochtitlán ein. Nach der Eroberung des Aztekenreiches gelangte er durch Bergbau, Zuckerrohrplantagen und Sklavenhandel zu großem Reichtum. König Karl I. setzte Cortez schließlich zu seinem Stellvertreter ein.

Niederlande: Kolonien dank Aktiengesellschaft

Diese private Initiative zur Unterwerfung fremder Gebiete sollte auch in den weiteren Jahrhunderten maßgeblich sein. Die Niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) gründete sich 1602 als Zusammenschluss einzelner Kaufleute, um so missliebige Konkurrenten verdrängen zu können. Bald erhielt sie weitreichende Privilegien und Konzessionen, so dass sie eine Monopolstellung im europäischen Ostasienhandel erlangte. Die VOC war eine der größten Aktiengesellschaften ihrer Zeit, die bald auf dem gesamten Kontinent Nachahmer fand. Die Durchsetzung ihrer Handelsinteressen sicherten sich die Anteilseigner mit militärischer Gewalt.

Belgien: 10 Millionen Tote für Kautschuk

„Für den Staat waren Kolonien wegen der hohen Verwaltungskosten fast immer ein Verlustgeschäft“, erklärte Reinhard die treibende Rolle privater Geschäftsmänner. So wandte sich Reichskanzler Otto von Bismarck jahrelang gegen deutsche Kolonien, bis mit dem Zeitalter des Imperialismus ein Umdenken einsetzte. 1884 wurden die vom Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz erworbenen Besitzungen als „Deutsch-Südwestafrika“ (heute: Namibia) unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt. Auch der „Kongo-Freistaat“ galt als persönlicher Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II. Bei der brutalen Kautschuk-Gewinnung starben geschätzt 10 Millionen Einheimische. Der Schriftsteller Joseph Conrads hatte diesen „Kongogräuel“ mit der Erzählung „Herz der Finsternis“ 1899 ein Denkmal gesetzt.

Großbritannien: Teile und herrsche

Bei ihrer rücksichtslosen Ausbeutung seien die Europäer jedoch auf die Mitarbeit lokaler Eliten angewiesen, sagte der Professor für Neuere Geschichte. Schon die Spanier in Mexiko ließen die oligarchische Führungsschicht in Amt und Würde, um mit ihr über die Masse der einfachen Bevölkerung zu herrschen. „Auf 63 britische Beamte kamen 20 Millionen Nigerianer*innen“, veranschaulichte er das Verhältnis. Alle Kolonialmächte nutzten bestehende Herrschaftsstrukturen und übertrugen die Machtausübung vor Ort lokalen Häuptlingen. Erst der Zweite Weltkrieg führte zu Veränderungen. „In Nordafrika kämpften 364.000 einheimische Kolonialsoldaten aufseiten der britischen Armee gegen die Wehrmacht“, wies Reinhard auf die militärische Bedeutung und das gestiegene Selbstbewusstsein der angestammten Bevölkerung hin. Dies führte in den 60er Jahren auch schließlich zur großen Dekolonisation-Welle. 1960 erlangten 13 afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit.

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