Vielen ist beim Reichsparteitagsgelände in Nürnberg nur die Zeppelintribüne oder die Kongresshalle als Orte der nationalsozialistischen Inszenierung bekannt. Dass südlich davon, im früheren SA-Lager während des Krieges tausende Kriegsgefangene starben, wurde bisher in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Diesen „unbekannten“ Opfern will der Band „Das Reichsparteitagsgelände im Krieg: Gefangenschaft, Massenmord und Zwangsarbeit“des Dokumentationszentrums nun eine Stimme geben.
Internierungs- und Stammlager XIII A
Mit Kriegsbeginn wurde die Infrastruktur, die ursprünglich für den „Reichsparteitag des Friedens“ (1939) vorgesehen war, mit dem „Internierungslager Nürnberg“ zu einem Lager für über 8.000 polnische Zivilist:innen. Wenig später begann man mit dem Bau des Stalag [Stammlager] XIII A Nürnberg-Langwasser mit einer Kapazität für 30.000 Kriegsgefangene. Mitte Juni 1940 kamen mehrere zehntausende Kriegsgefangene aus Belgien und Frankreich nach Nürnberg. Diese wurden, wie die polnischen Gefangenen vor ihnen, auf zahlreiche Arbeitskommandos in der Umgebung verteilt. Auch in Sulzbach-Rosenberg, Weiden und Hammelburg entstanden zusätzliche Lager.
„Russenlager“ und „Sonderbehandlung“
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion kamen 1941 tausende Soldaten in das „Russenlager Langwasser“. Dass die Unterbringung in herkömmlichen Zelten im Winter 1941/42 zum massenhaften Tod durch Kälte und Mangelernährung führte, stellte für die deutschen Behörden kein Problem dar. Im Oktober 1942 arbeiteten rund 11.000 sowjetische Kriegsgefangene in den zahlreichen Rüstungsbetrieben in Nürnberg. Die Gestapo suchte unter ihnen nach „Kommissaren“, Intellektuellen“ oder „Juden“. Diese wurden einer „Sonderbehandlung“, der Erschießung in einem Konzentrationslager [meist Dachau], zugeführt. Es ist von der Ermordung von ca. 2.500 Angehörigen der Roten Armee auszugehen.
Deportationen in den Tod
Auch der Weg der fränkischen Jüdinnen und Juden führte über Nürnberg-Langwasser. In drei Deportationszügen wurde die jüdische Bevölkerung 1941/42 aus Bamberg, Bayreuth, Coburg, Erlangen, Forchheim, Fürth, Würzburg und weiteren fränkischen Orten u.a. über den Bahnhof Märzfeld und das „Waldlager II“ Richtung Osten gebracht. Menschen wie die in der Bärenschanzstraße in Nürnberg wohnende Miriam Blumenthal. Am 24. März 1942 wurde sie über den Bahnhof am Märzfeld ins Ghetto Izbica (Polen) deportiert, wo sie mit ihrer Schwester Josepha und ihrer Mutter Gisela ermordet wurde.
Zwangsarbeiter:innen aus Italien und dem Osten
Mit andauerndem Krieg war die deutsche Rüstungsproduktion in immer stärkeren Maße auf „Ostarbeiter:innen“ angewiesen. Von April bis Juli kamen über 30.000 über den Bahnhof Märzfeld, um in einem der Nürnberger Betriebe Zwangsarbeit zu leisten. Nach der Absetzung Benito Mussolinis durch den Faschistischen Großrat und dem Ausscheiden Italiens aus der „Achse Berlin-Rom“, internierte die Wehrmacht im September 1943 tausende der früheren „Waffenbrüder“. Viele wurden als Militärinternierte nach Nürnberg geschickt, wo sie in Fabriken wie Dynamo in Fürth, Konrad Winkler, den Lumaphon-Werken, Conradty in Röthenbach, Siemens oder dem MAN-Firmenlager Zwangsarbeit leisten mussten. Andere waren bei Bombenaufräumarbeiten oder in der Landwirtschaft „beschäftigt“. Über 400 Italiener starben in der Gefangenschaft und wurden meist auf dem städtischen Südfriedhof begraben. Im gesamten Reichsgebiet kamen mindestens 50.000 gefangene Italiener ums Leben.
Weiterführende Literatur
- Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände (2021): Das Reichsparteitagsgelände im Krieg. Gefangenschaft, Massenmord und Zwangsarbeit. Michael Imhof Verlag Petersberg. 18,95 Euro: https://www.imhofverlag.de/buecher/das-reichsparteitagsgelaende-im-krieg/