Die Sorge vor einem militärischen Sieg Putins und die Probleme etwaiger Verhandlungen waren Thema bei der Podiumsdiskussion „Solidarität in Zeiten des Krieges“. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.
Sozialleistungen für Kriegsbegeisterung
Die Militarisierung der russischen Gesellschaft wurde Sasha, Mitglied des Feminist Antiwar Resistance, zufolge an der Neujahrsansprache des Präsidenten deutlich. Diese hielt Putin nicht wie bisher vor den Kremlmauern ab, sondern vor Reihen russischer Soldaten. „Der neue russische Gesellschaftsvertrag basiert auf Krieg“, stellte die russische Aktivistin fest. Früher erhielt die Bevölkerung finanzielle Zuwendungen im Gegenzug für politische Passivität. Heute seien staatliche Hilfen, etwa Wohngeld, Sozialleistungen oder ein Hochschulstudium an das Eintreten für den Angriffskrieg geknüpft, erläuterte sie.
„Putins Friede ist nicht gerecht“
Als innenpolitisches Problem wies Sasha auf den demografischen Wandel hin. „Manche Studien besagen, dass die russische Bevölkerung bis 2050 aussterben könne“, erklärte sie. Dies sei der Kontext für die massive Verfolgung von Homosexualität in Russland. Andererseits werde wieder die unter Stalin geläufige Auszeichnung „Heldenmutter“ verliehen. Diese erhielte jede Frau, die mindestens zehn Kinder gebäre. Verhandlungen mit Putin steht die Aktivistin kritisch gegenüber. „Putins Friede ist weder gerecht für die Ukraine noch wünschenswert für die russischen Kriegsgegner*innen“, sagte sie. Ein Sieg Russlands würde den Tod aller emanzipatorischen Bewegungen der Föderation bedeuten, warnte Sasha.
Kein Vertrauen für Verhandlungen
Volodymyr Artiukh, Redakteur bei der Spilne, ging auf Aussagen zu früheren Verhandlungen ein. So hatte es im März Treffen in Belarus und der Türkei gegeben, die jedoch ohne Ergebnis verliefen. „Eine Behauptung ist, dass eine Lösung in greifbarer Nähe gewesen wäre, aber wegen der Einmischung des ‚kollektiven Westens‘ verworfen wurde“, gab er eine in linken Kreisen landläufige Meinung wieder.
Eine andere Version besage jedoch, dass die russischen Emissäre keine Befugnisse hatten, im Namen Putins Entscheidungen zu treffen. Der Rückzug der russischen Truppen aus Kiew und das Bekanntwerden der Massaker von Butscha ließen ihrerseits auf ukrainischer Seite die Bereitschaft zum Verhandeln sinken. „Es gibt kein Vertrauen zwischen den Kriegsparteien“, fasste Artiukh die aktuelle Situation zusammen.
Problematischer Friedensplan Chinas
Auch an dem von China vorgestellten Friedensplan zeigte er seine Zweifel. Dieser wolle sowohl international geltendes Recht wie auch das russische Sicherheitsbedürfnis vereinen, obwohl sich beides widerspräche. „Gemäß der territorialen Souveränität der Ukraine müsste sich die russische Armee aus der Süd- und Ostukraine zurückziehen, obwohl Putin diese zu russischem Staatsgebiet erklärt hat“, zeigte er ein Problem auf. Das Sicherheitsbedürfnis Russlands könne man mit Verweis auf eine Rede von Außenminister Sergej Lawrow dahingehend auslegen, dass sich die NATO auf die Bündnisgröße von 1997 begrenzen müsse. Das bedeute, dass Tschechien, Ungarn, Polen, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien, Slowakei, Rumänien und Bulgarien aus der Verteidigungsorganisation austreten müssten.
Weiterführende Links:
- RLS (24.2.2023): Solidarität in Zeiten des Krieges – Linke Stimmen aus der Ukraine und Russland – https://www.youtube.com/watch?v=KK5ZHdqg4vE
- Tsoneva, Jana (3.9.2022): A Ukrainian Socialist Explains Why the Russian Invasion Shouldn’t Have Been a Surprise – https://jacobin.com/2022/03/ukraine-socialist-interview-russian-invasion-war-putin-nato-imperialism
- The Moscow Times (29.3.2022): The feminist face of russia protests – https://www.themoscowtimes.com/2022/03/29/the-feminist-face-of-russian-protests-a77106