Ukrainekrieg: Globale Aufrüstung als Lösung?

08. April 2022  International
Geschrieben von Kreisverband

Ingar Solty, 2018 (Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 2.0)

Trotz russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine und weltweitem Aufrüsten die Hoffnung auf eine Abkehr von Militär hin zur globalen Klimarettung. Das war der Wunsch von Ingar Solty bei einem Online-Vortrag des Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi).

Schutzschild NATO?

„Putin hätte der NATO keinen größeren Gefallen tun können“, fasste Solty, Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Folgen zusammen. Der russische Überfall auf die Ukraine sowie nachgewiesene Kriegsverbrechen (u.a. in Butscha) führten zu einer großen Popularität des Militärbündnisses. „Finnland, Schweden und Georgien suchen Schutz vor dem imperialistischen großrussischen Machtstreben“, bilanzierte er.

Putin: Enttäuschte Hoffnung

Der linke Glauben an eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur der bisherigen NATO-Staaten mit Russland sei mit dem Georgienkrieg (2008), der Krim-Annektion (2014) und der Intervention in Kasachstan (2022) enttäuscht worden. „Die Wissenschaft hat sich im russischen Kapitalismus und nationalistischen Großmachtstreben geirrt“, sagte der Sozialwissenschaftler. Statt einer Verrechtlichung von Konflikten sei es vielmehr zum Recht des Stärkeren gekommen.

Vom Westen lernen?

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf das Nachbarland folge jedoch gewissen Parallelen. Die Behauptung, einem Völkermord in der Ukraine zuvorzukommen, ähnele der Schutzverantwortung der NATO im Kosovokrieg (1990) wie auch der Argumentation zur Errichtung einer Flugverbotszone in Libyen (2011). Ebenso sei die 2014 vollzogene Annektion der Krim mit der Abspaltung der Provinz Kosovo von Serbien vergleichbar. Und die Rede von ukrainischer Atomwaffen erinnere ihn an die Aussage des damaligen US-Außenministers Colin Powell über Massenvernichtungswaffen im Irak (2003).

Doppelte Standards

Ebenfalls gebe es im Westen eine gewisse Doppelmoral. „Der türkische Präsident und NATO-Partner Erdogan agiert in Libyen genauso wie Putin auf der Krim“, zog Solty einen Vergleich in geopolitischer Kriegsführung. Auch, dass man Ölstaaten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate protegiere, um von russischem Öl unabhängig zu werden, sei heuchlerisch. Im Jemenkrieg (seit 2014) flog diese Koalition mehr als 24.000 Luftangriffe, über 200.000 Menschen starben an Bomben, Hunger, Krankheit. „Bei den Europäer*innen stehen nicht Menschenrechte oder Abkehr von fossilen Brennstoffen im Fokus“, legte er nahe.

Deutschland

Die Bundesregierung reagiere mit einem 4-Punkte-Plan, erklärte Solty. Luftabwehr-Raketen der 1990 aufgelösten Nationalen Volksarmee (NVA) würden an die ukrainischen Streitkräfte geliefert werden. Im Baltikum komme es zu einer Aufstockung der NATO-Verbände. Die Battlegroup Litauen steht unter deutscher Führung. Ebenfalls komme es zur Aufrüstung der Bundeswehr von 100 Milliarden Euro. Wirtschaftssanktionen hingegen seien nicht zielgenau auf Oligarchen und ihre Immobilien in Berlin und London oder Steueroasen auf den Cayman-Inseln ausgerichtet, sondern träfen besonders die einkommensschwache Bevölkerung Russland. „Schon die alliierten Flächenbombardements ab 1940 zeigten, dass gefährdete Menschen keinen Regime Change herbeiführen“, zeigte Solty die falsche Logik auf.

Klimaschutz statt Krieg

Wichtiger sei es, Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen in Russland vor staatlicher Repression zu schützen. Auch seien durch den Fokus auf das Militärische Verteilungskonflikte vorprogrammiert. „100 Milliarden Euro werden wohl bei Renten und Sozialleistungen eingespart werden müssen“, vermutete er mit Blick auf die Finanzierung von Luftkampfsystemen und atomwaffenfähigen F35-Tarnkappenjets. Dabei sollten doch nicht der Krieg, sondern die Bewältigung der Klimakrise im Fokus der globalen Politik stehen. Dies sei auch das sinnvollste Argument der Friedensbewegung. „Sozialstaat und Klima können nicht noch mehr Waffen verkraften“, machte Solty auf die großen Menschheitsaufgaben aufmerksam.

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