Franz Josef Degenhardt – Musikalischer Klassenkampf

13. Dezember 2021  Kultur
Geschrieben von Kreisverband

Franz-Josef Degenhardt in Hamburg, 1972 (Foto: Heinrich Klaffs/flickr, CC: BY-NC-SA)

Im Dezember 1931 wurde Franz Josef Degenhardt, Liedermacher, Schriftsteller und Jurist, geboren. Sein vielseitiges Leben war stets geprägt vom Kampf für die Unterdrückten und Benachteiligten.

Gegen Faschismus und Elitemenschen

„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, singt nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt, mach‘s wie deine Brüder.“ Mit diesem berühmten Rat, von Elitemenschen an solche, die es werden wollen, stellte der Musiker die Klassengesellschaft der Nachkriegszeit dar. Diese Gesellschaft, in der viele willkommen waren: Konsumverherrlicher, Atomlobbyisten, Verhütungsverhüter, neue Kriegstreiber, Linksradikalenverfolger und Diktatoren. Sie alle waren ihm suspekt, dem studierten Juristen, der 1966 mit einer Arbeit über „Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft“ promovierte und schließlich als wortmächtiger Bänkelsänger bekannt wurde. 1931, noch in der Weimarer Republik, kommt er zur Welt, in einer katholischen Familie. Mehr noch als die prägte ihn nach 1945 die Reformpädagogik, die sich gegen schulischen Drill wandte. Und er warnt in seinen Liedern immer wieder vor dem Wiedererstarken faschistischer Bewegungen. Beispielhaft dafür ist „Wölfe mitten im Mai“, das er kurz vor dem Einzug der NPD in verschiedene Landtage veröffentlichte. Degenhardt, der singende Anwalt der Kriegsdienstverweigerer, trat schließlich in die DKP ein.

Der Kommunist und das Känguru

Sich mit leisen Melodien auf die Seite der Schwachen schlagen, sah er als seine Aufgabe. Er tat es mit Erfolg, auf den legendären Festivals auf Burg Waldeck im Hundsrück, der Wiege der deutschen Liedermacherkunst der 1960er Jahre. Stilistisch war Degenhardt internationalistisch. Er stellte den Brückenschlag her zwischen Deutschland und Frankreich, Vorfaschismus und Nachfaschismus, West und Ost. Er integrierte mittelalterlichen Bänkelgesang und französisches Chanson („Junge Paare auf Bänken“, „Das Testament“, „Lied für die ich es sing“, „Rosen im Schnee“), Weimarer Kabarettkunst („Emigranten-Choral“) und Arbeiter-Kampflied („Wilde Gesellen“, „In Hamburg fiel der erste Schuß“, „Kirschenzeit“), den „singenden Proletarierjournalismus“ Nordamerikas a la Woody Guthrie u.v.m. Degenhardt begründete einen Liedermacherstil, wie er heute etwa von Marc-Uwe Kling fortgeführt wird.

Musikalischer Antiimperialist

Seine Lieder widmete er sowohl den Kämpfen gegen die südeuropäischen Diktaturen („Portugal“, „Grandola vila morena“, „Für Mikis Theodorakis“) als auch den nationalen Befreiungsbewegungen im globalen Süden – von Vietnam („Ein schönes Lied“, „Das Ereignis am Mondfalterfluß im Mai 1968“, ) über Peru („Fiesta Peruana“) und Chile („Station Chile“) bis Grenada („Diesmal Grenada“). Dabei verstand er, stets die Klassendimension mitzudenken. Den Irrweg des kleinbürgerlichen Linksterrorismus von RAF und Co. ironisierte er etwa in „Bumser Pacco“.

Literat und Kapitalismuskritiker

Der Autor Degenhardt schrieb in „Zündschnüre“ (1973) über Heranwachsende in der Endphase des Dritten Reiches. 1999 veröffentlichte er den Roman „Für ewig und drei Tage“ über den Zusammenbruch des Realsozialismus. Insgesamt verfasste er sieben Romane sowie ein Kinderbuch. Mit seinem letzten Lied „Die Ernte droht“ besangt er am Vortag der Finanzkrise 2008/09 die kapitalistische Überakkumulation und begab sich dann in den Ruhestand. 2011 starb er.

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