Wohnen im Haifischbecken

27. Juli 2021  Politik
Geschrieben von Kreisverband

„Die großen Fische fressen die kleinen“ von Pieter Bruegel d. Ä., 1556

Schon die niederländischen Meister des 16. Jahrhunderts wie Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel d. Ä. verewigten den Spruch „Die großen Fische fressen die kleinen“ auf ihren Gemälden. Welche Auswirkungen das Schwimmen mit Miethaien wie Vonovia und Deutsche Wohnen für Mieter:innen hat, war Thema einer Veranstaltung des Erlanger Mieterinnen- und Mietervereins.

„Die gute alte Zeit“

Der CDU-geführten Adenauer-Regierung stellte der Rosa Luxemburg-Stipendiat Philipp Metzger in Sachen Wohnungsbau ein gutes Zeugnis aus. „In den 50er Jahren lag der soziale Wohnungsbau bei 55 Prozent“, erklärte er. Neben einem staatlich festgelegten Mietpreis und der behördlichen Zuweisung von Wohnungssuchenden verbot der Staat Leerstände von Wohnraum. „Damals gab es rund 50 Prozent Kleinvermieter:innen, also Privatpersonen mit maximal zwei Mietwohnungen“, erläuterte er das damalige Spektrum auf dem Wohnungsmarkt. Neben kommunalen und gewerkschaftlichen Trägern existierten auch verschiedene Wohnungsbaugenossenschaften.

Privatisierung und Börsengang

In den 60ern sank der soziale Wohnungsbau auf 37 Prozent, in den 70ern auf 26 Prozent. Heute werden mehr Sozialwohnungen privatisiert als neu gebaut. Im Zuge der Wiedervereinigung wurden viele durch Bundesmittel sanierte Wohnungen in den neuen Bundesländern durch private Unternehmen aufgekauft. Der Siegeszug der Wohnkonzerne auf dem deutschen Markt begann.

Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition 2005 sah vor, den Wohnungsmarkt mit Hilfe sog. Real-Estate-Investment-Trusts (REIT) an den internationalen Finanzmarkt zu koppeln. Dadurch konnten Wohnungen an der Börse gehandelt werden, die Aktiengesellschaften selbst waren von Steuern befreit. Der linke Flügel der SPD erreichte immerhin, dass nur Wohnungen nach 2007 für dieses Immobilien-Geschäftsmodell genutzt werden konnten.

Das „Harz IV-Modell“

Ein weiteres Beteiligungskapital für Aktionär:innen stellen Private-Equaity-Fonds (PEF) dar. Diese suchen gezielt Unternehmen, deren Rendite/Risiko-Verhältnis günstig ist, etwa aus der Sozialbindung fallende Wohnungen. Investoren sind meist Investmentfonds wie Blackrock sowie Versicherungen und Pensionskassen. „Aktuell gibt es in Deutschland 241 PEFs, denen rund eine Million Wohnungen gehören“, stellt Metzger die Größenordnungen dar. Meist ging man dabei nach dem sog. „Harz IV-Geschäftsmodell“ vor. Dabei würden alle Wohnungen in einem Gebiet gekauft und sämtliche Mieten erhöht. Der erhöhte Mietspiegel führe dazu, dass automatisch das Wohngeld steige, die Immobilienkonzerne also automatisch mehr Geld vom Sozialstaat bekämen. Ist das System ausgereizt, werden die Wohnungen mit hohen Gewinnen an der Börse weiterverkauft.

Ausgaben senken, Gewinne steigern

Weitere Profitstrategien seien die Reduzierung laufender Instandhaltungskosten, etwa Entlassungen von Angestellten oder die Beschäftigung firmeninterner Dienste ohne Tarifbindung. Gleichzeitig erhöhten sich durch „Modernisierungskosten“ die Mieten um ein Vielfaches. „Wohnkonzerne dienen nur den Aktionär:innen, bauen aber keine neuen Wohnungen“, lautet das Fazit von Metzger. Selbst der Berliner Mietendeckel habe ihnen nicht geschadet: „Während Mieter:innen vor steigenden Mieten geschützt waren, machte Deutsche Wohnen & Co. in diesem Zeitraum trotzdem vier Prozent Gewinn“, bilanzierte er.

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