Rosalux: Afrodeutsche Geschichte

25. Juni 2022  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Gerald Asamoah, ein in Ghana geborener deutscher Fußballnationalspieler, nahm 2005 an der Kampagne „Du bist Deutschland“ teil (Foto: Gemeinfrei, 2010)

Die Geschichte schwarzer Menschen vom Hochmittelalter über die Zeit des europäischen Kolonialismus bis hin zum wiedervereinigten Deutschland war Thema bei „Rosalux History“. Die 18. Folge des Geschichtspodcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit Afrodeutscher Geschichte.

Heilige und Diener

Schwarze Menschen im heutigen „Deutschland“ sind schon in Gemälden des 12. Jahrhunderts belegt. Sie arbeiteten oftmals an Herrscherhöfen als Diener oder Musikanten, aber auch im religiösen Bereich als Nonnen oder Priester. Albrecht Dürer hielt in seinem „Porträt eines Afrikaners“ (1508) einen dunkelhäutigen Mann fest. Viele wohlhabende Patrizier und Rittergeschlechter ergänzten ihre Familienwappen um eine schwarze Figur (vgl. Nürnberger Patrizierfamilie Tucher). Das Wappen der Stadt Zwickau beinhaltete ab 1560 den „Heiligen Mauritius“ als schwarzen Soldaten mit Streitkolben. Der (angebliche) römische Kommandeur der Thebaischen Legion in Ägypten wird sowohl in der katholischen als auch orthodoxen Kirche verehrt. Die damalige Bezeichnung „Mohr“ geht auf die muslimischen Mauren zurück, die ab dem 8. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel (al-Andalus) lebten, das damals als Zentrum von Wissenschaft und Gelehrsamkeit (Medizin, Philosophie, Literatur) galt.

Sklaven, „Ausstellungsstücke“, Rassismus

Im Zuge militärischer Konflikte mit muslimischen Herrschern und dem beginnenden Sklavenhandel verschlechterte sich die europäische Zuschreibung schwarzer Menschen. Der „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg hielt an seinem Hof in Berlin mehrere schwarze Musiker, andererseits war er für die Gründung mehrerer Handelsposten im heutigen Guinea verantwortlich, um in den lukrativen Sklavenhandel einzusteigen. Der aus dem heutigen Ghana stammende Anton Wilhelm Amo erhielt im 1729 im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel seine Diplomarbeit „Über die Rechte der Mohren in Europa“ und lehrte als Philosophie-Dozent in Jena. Der in Nigeria geborene Angelo Soliman war Erzieher des Prinzen Alois I. von Liechtenstein und trat der Wiener Freimaurer-Loge von Joseph Haydn und Amadeus Mozart bei. Kaiser Franz I. verfügte nach Solimans Tod, den Leichnam auszustopfen und mit Lendenschurz und Federschmuck im Naturalienkabinett zur Schau zu stellen. Der französische Graf Arthur de Gobineau lieferte mit seiner Schrift „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ die „wissenschaftliche“ Grundlage des biologistischen Rassismus.

„Völkerschau“ und Zwangssterilisation

In Deutschland kam es nach dem Verlust der überseeischen „Schutzgebiete“ aufgrund des Versailler Vertrags (1919) und der Besetzung des Rheinlandes (1919-25) durch u.a. französische Kolonialtruppen zu rassistischen Lügen. Demnach würden schwarze Soldaten massenhaft deutsche Frauen vergewaltigen. In Deutschland lebende schwarze Kinder wurden daraufhin als „Rheinland-Bastarde“ bezeichnet. Der aus dem heutigen Kamerun stammende Martin Dibobe wurde im Kaiserreich in einer zooartigen „Völkerschau“ der Berliner Bevölkerung präsentiert. Als Beamte der Hochbahn Berlin forderte er in der sog. Dibobe-Petition gleiche Rechte für die aus den Kolonien stammenden Menschen. Joseph Ekwe Bilé gründete die schwarze Selbstorganisation LzVN, trat 1930 der KPD bei und setzte sich in der Kommunistischen Internationalen für Antikolonisierung ein. Die Nationalsozialisten erklärten die Pässe schwarzer Bürger*innen für ungültig. Sie erhielten keine Lebensmittelmarken und waren häufig rassistischen Anfeindungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Schwarzen Kindern konnte die Zwangssterilisation drohen.

„Mischlinge“ und „Rückführung“

In der deutschen Nachkriegsgesellschaft waren rassistische Stereotype genauso wie zur Zeit der Rheinland-Besetzung präsent. 1952 behandelte der Deutsche Bundestag das „Sonderproblem“ der ca. 3.000 „Mischlingskinder“ aus meist amerikanisch-deutschen Beziehungen. Schwarze Kinder sollten in das Heimatland der Väter gebracht werden, da die klimatischen Verhältnisse in Deutschland nicht für sie geeignet seien. Erst die schwarze US-Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King schuf positive Identifikationsfiguren für schwarze Menschen in Deutschland.

Afrodeutsches Leben

Die US-karibische Schriftstellerin Audre Lorde hatte in den 80er Jahren eine Gastprofessur an der FU Berlin inne. Ihr Buch „Farbe bekennen“ gilt als Standardwerk zu afrodeutschem Leben. Die Zeitschrift „afro look“ wurde zwischen 1988 und 1999 zum Sprachrohr der „Initiative Schwarze Deutsche“ (ISD). 1991 kam es mit dem „Internationalen Sommerseminar schwarzer Frauen“ in Frankfurt a. Main, Bielefeld und Berlin zu einem ersten großen internationalen Vernetzungstreffen. Seit 2020 bildet der Afrozensus schwarze, afrikanische und afrodiasporische Lebensrealitäten in Deutschland ab.

Hetzjagden und Diskriminierung

Auch in der als „antiimperialistisch“ und „antikolonial“ geltenden DDR herrschte Rassismus gegenüber Vertragsarbeitern aus Mosambik oder politisch Verfolgten aus Südafrika. Die 1990er Jahre in Ostdeutschland waren geprägt von Gewalt und Chaos gegenüber schwarzen Menschen. Dies äußerte sich öffentlichen Beschimpfungen im Alltag, in staatlichen Ausweisungen oder auch in Hetzjagden der „deutschen“ Bevölkerung gegenüber schwarzen Personen. Aber auch im heutigen Westdeutschland ist Rassismus in Bezug auf Wohnungsvergabe oder Arbeitsplatzsuche sowie dem „Racial Profiling“ der Polizei alltäglich.

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