„Kämpft dafür, dass so etwas nie wieder geschieht!“, lautete der Appell der Auschwitz-Überlebenden Eva Franz (geb. Christ) an ihre Zuschauer*innen. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages veranstaltete Bildung Evangelisch und der bayerische Landesverband Deutscher Sinti und Roma ein Online-Zeitzeugengespräch mit der 80-jährigen Sintiza.
In Viehwaggons wurde Franz und ihre Familie aus dem Sudetenland ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. „Mit heißer Tinte und einem Federhalter tätowierte man mir die Nr. 4167 in den Unterarm“, erinnerte sie sich. Der Block 25, in dem sie lebten, war nur wenig entfernt von Dr. Josef Mengele, der in dem so genannten „Zigeunerlager“ medizinische Experimente an Kindern verübte. Als ihre zehnjährige Schwester an Hunger starb, schlich sich der Vater nachts zur Lagerküche, um Essen für sein letztes Kind zu besorgen, berichtete Franz. Doch eines Morgens erschien die SS, zerrte ihn auf den Appellplatz und schlug ihn so lange, bis die Haut aufplatze und blutete. „Die Narben hat er sein Leben lang versteckt“, erzählt seine Tochter. Die Mutter versuchte, dem Kind das Leben im Lager erträglich zu machen. „Da backt man Brot für uns“, sagte sie zu ihrer kleinen Tochter, als diese fragte, was das Feuer und der Rauch aus den Schornsteinen zu bedeuten hätte. In Auschwitz-Birkenau wurden über 20.000 Sinti und Roma von den Nationalsozialisten ermordet.
Ihr Vater entstammte einer großen Pferdehändler-Familie aus Fulda, siedelte jedoch ins deutschsprachige Sudetenland über. Obwohl er und seine Brüder wie alle volljährigen Deutschen in der Wehrmacht dienten, wurden sie als „Rassefremde“ samt ihren Angehörigen deportiert. Als Vorgabe diente ein bis 1812 zurückreichender Stammbaum, den die deutschen Behörden von der Familie anlegten. Während der Vater weiter nach Mauthausen geschickt wurde, gelangten Franz und ihre Mutter nach Ravensbrück, wo diese starb. Damit war sie eine von 92.000 Menschen, die in diesem Frauenlager den Tod fanden. Eine Mitgefangene nahm sich dem Kleinkind an und erlebte mit ihm die Befreiung im KZ Bergen-Belsen. Dort holte sie der aus Mauthausen zurückgekehrte Vater ab.
In der Nachkriegszeit heiratete der Witwer erneut und eröffnete in Nürnberg einen Pferdehandel. Eine Entschädigung für Enteignung und Mord an seinen Familienangehörigen blieb ihm jedoch verwehrt. Erst nach seinem Tod, im Jahr 1985 erkannte die Bundesrepublik Deutschland die Sinti und Roma als Opfer des Nationalsozialismus an. Auf die Frage, wie sie es schaffe, von ihrer Leidensgeschichte zu berichten, antwortete die Katholikin Franz: „Die Kraft zum Erzählen gab mir der liebe Gott.“ Seit der Anerkennung erhält Franz eine kleine Rente und ist seit kurzem sogar Uroma geworden. Es mache sie traurig, ihre Geschichte zu erzählen, offenbarte sie den über 260 zugeschalteten Zuschauenden. Diese müssten nun dafür sorgen, dass sich so etwas nie wieder wiederhole, mahnte Franz.