Kommunismus. Ein schillerndes Gespenst

27. Juli 2022  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Das Gespenst des Kommunismus aus „Die Würfel-WG“ (Spiel von Marc-Uwe Kling)

Kommunismus als radikaldemokratische Gesellschaft anstelle des Recht des Reicheren, aber auch die Gefahren eines autoritären Zwangssystem waren Thema bei Deutschlandfunk. Unter dem Titel „Kommunismus. Ein schillerndes Gespenst“ diskutierten eine Autorin, eine Verlegerin sowie ein Historiker über ihr Verständnis von Marx‘ Vermächtnis.

Armut und Klimakrise

Die Publizistin Seyda Kurt wies deutlich auf die Fehler des aktuellen Wirtschaftssystems hin: „Bei uns und weltweit wächst der Club der Superreichen, die mehr als 100 Millionen Dollar besitzen, währenddessen die Tafeln den Andrang der Bedürftigen nicht mehr bewältigen können“, brachte sie die soziale Ungleichheit auf den Punkt. Auch vernichte die kapitalistische Wirtschaftslogik die Zukunft des Planeten. Laut Klimaexpert*innen könne es in den nächsten vier Jahren zu einer Erwärmung um 1,5 Grad kommen, sofern es kein radikales Umlenken in unserem Wirtschaften gäbe, warnte sie. „Es ist einfacher geworden, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus“, mahnte Kurt.

Kommunale Räte-Systeme

Zwar hätten Herrschaftsformen, die sich kommunistisch nannten, Unterdrückung und Gewalt hervorgebracht. Doch sei die Geschichte des Kommunismus viel facettenreicher. Vor 150 Jahren erprobte die Pariser Kommune eine radikaldemokratische Gesellschaft mit kostenlosem Zugang zum Wohnen, Gesundheit und Bildung. In der Gegenwart zeigt die autonome Selbstverwaltung in Rojava (Nordostsyrien), wie eine kommunale Räte-Organisation funktionieren kann. Dort arbeiten kurdische, arabische, assyrische, jesidische und viele weitere Volksgruppen in Versöhnungskomitees an einem solidarischen Zusammenleben. So werde beispielsweise in Wirtschaftskooperativen verhandelt, was und wie viel produziert werden soll.

Freiheit und Individualismus

Für die Verlegerin Sabine Nuss war Kommunismus untrennbar mit Freiheit und Individualismus verbunden. „Eine Assoziation, die freie Entwicklung jedes Einzelnen als Verein freier Menschen ermöglicht“, nahm sie auf einen Satz aus dem Kommunistischen Manifest Bezug. Jeder solle nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen leben können. Dem stellte sie die Klassengesellschaft gegenüber, in der viele für den Reichtum einzelner arbeiten müssten. Ziel sei die Überwindung der Profitmaximierung und eine Gesellschaft von Gleichen, in der sich Menschen demokratisch über ihre Bedürfnisse und Wünsche abstimmten. Der ewig Suchende Marx wollte nie ein dogmatisch festgelegtes Denksystem schaffen, wie es etwa im „Marxismus-Leninismus“ propagiert wurde.Dort wurde freies Denken stattdessen unterdrückt. Ein Beispiel war für Nuss der Marxist Dawid Rjasanow. Der Leiter des Marx-Engels-Instituts in Moskau, das die erste russischsprachige Marx-Engels-Werkausgabe in 28 Bänden veröffentlichte, wurde 1937 wegen „Rechts-Trotzkismus“ verhaftet. Nach einem 15-minütigen Prozess wurde er 1938 zum Tode verurteilt und erschossen. „Stalin vernichtete den freiheitlichen Kommunismus“, fasste sie das Ergebnis der „Großen Säuberungen“ zusammen.

China: Nicht Marx, sondern Konfuzius

Der Historiker Gerd Koenen erläuterte die geschichtlichen Hintergründe um 1840. Der Sozialismus (lat. socialis) als ursprüngliche Geistesströmung sei auf Kameradschaft ausgerichtet, während der Kommunismus eine Gemeinwirtschaft fokussiere. Heutzutage wirtschafteten kommunistische Staaten vielmehr ultrakapitalistisch. „Die ‚Große Gemeinschaft‘ der Volksrepublik China hat mehr mit Konfuzius und dessen hierarchischen Gesellschaftsbild zu tun als mit Marx“, kritisierte er die Kommunistische Partei Chinas. Während solche Institutionen versuchten, sämtliche Lebensbereiche der Menschen zu bestimmen, sei das solidarische Element in der „bürgerlichen“ Gesellschaft tausendfach vorhanden. Etwa 2015 bei den syrischen Flüchtlingen am Münchner Bahnhof oder 2022 am Berliner Bahnhof, als Menschen aus der Ukraine kamen.

Weiterführende Literatur und Links:

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