Karl Marx und der Antisemitismus

05. Mai 2022  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Micha Brumlik bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille, 2016 (Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY 2.0)

Judenfeindliche Äußerungen in einem Werk, aber nichtsdestotrotz ein bedeutender Analyst des kapitalistischen Wirtschaftssystem. So skizzierte der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik Karl Marx in der RBB-Reihe „Mein Marx“.

Zur Judenfrage

Als problematisches Werk gelte Marx Schrift Zur Judenfrage (1843), die eine Reaktion auf Bruno Bauers Pamphlet Die Judenfrage darstelle, erläuterte Brumlik. Dort fänden sich Textpassagen, nach denen das Geld „der eifrige Gott der Juden“ sei. Doch gäbe es einen fundamentalen Unterschied zwischen dem evangelischen Theologen Bauer und dem aus einem jüdischen Elternhaus stammenden Marx. Forderte Bauer, Jüd*innen sollten zum Protestantismus konvertieren, war Marx ein grundsätzlicher Gegner jeglicher (staats)religiöser Institution und Religion.

Ökonomiekritik statt Judenhass

Die Eltern von Marx zählten eine Reihe berühmter Rabbiner zu ihren Vorfahren. Jedoch wechselte der Vater zum Protestantismus, um der gesellschaftlichen Diskriminierung in der christlichen Mehrheitsgesellschaft zu entkommen. Als Anwalt vertrat Marx selbst verschiedene jüdische Mitbürger und verhalf ihnen so zu ihrem Recht. „Marx analysierte die Struktur der Geldverhältnisse“, erklärte der Autor des Buches Deutscher Geist und Judenhass. Er reduzierte diese Analyse jedoch nicht auf eine bestimmte Glaubensrichtung, sagte Brumlik. Dies sähe man auch daran, dass im Kapital das Judentum so gut wie gar nicht thematisiert werde. Der sowjetische Antisemitismus der Stalin-Ära sei nicht durch Marx motiviert, sondern habe sich gegen die Gründung des Staates Israel gerichtet, erläuterte der Publizist.

Unzureichende Revolutionstheorie

Während seines Philosophiestudiums sei Brumlik das erste Mal mit Marx in Kontakt gekommen und hätte dessen Analyse des herrschenden Wirtschaftssystems schätzen gelernt. Als Anhänger des Sozialdemokraten Eduard Bernstein kritisiere er jedoch die Marxsche Revolutionstheorie, da sie den Menschen nur als vom gesellschaftlichen Sein gelenkt darstelle. Auch wenn Marx zum Verständnis der heutigen Gesellschaft unverzichtbar sei, spräche er sich für sozialdemokratische Reformen, nicht für eine marxistische Revolution, aus, erklärte Brumlik.

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