Straßen: Von Hindenburg zu Hitler

25. September 2023  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Hindenburgstraße (Quelle: Politnetz Darmstadt)

Straßenumbenennungen am Beispiel Paul von Hindenburg oder Otto von Bismarck waren Thema bei der Diskussionsrunde „Straßennamen. Umbenennen oder nicht“. Die Veranstaltung wurde von der Stiftung Demokratie Saarland organisiert.

Keine Straße für Verbrecher

„Viele Straßen in Freiburg sind nach NS-Medizinern benannt gewesen, die Menschenversuche durchführten“, nannte Bernd Braun das Ergebnis der dortigen Kommission. Der Geschäftsführer der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg machte klar: „Straßen dürfen nicht nach Verbrechern benannt werden.“ Dies hätten zahlreiche Kommunen nach der Befreiung vom Nationalsozialismus erkannt, erläuterte der Professor. Denn in vielen Gemeinden seien die einstigen Hitler-, Himmler- und Göringstraßen ebenso umbenannt worden wie die Hindenburgstraßen.

Totengräber der Republik

Denn der einstige Generalfeldmarschall galt schon seinerzeit als Zerstörer der Weimarer Republik. „Er hat Hitler zum Reichskanzler ernannt und Beihilfe zum Massenmord geleistet“, sagte Braun mit Verweis auf die frühen Konzentrationslager von 1933/34, in denen zehntausende Menschen ermordet wurden. Ein anderes Beispiel sei die „Köpenicker Blutwoche“ im Juni 1933, in deren Rahmen auch sozialdemokratische Abgeordnete den Tod fanden. „Mit der ‚Dolchstoßlüge‘ hat Hindenburg das politische Klima der Republik vergiftet“, nannte Braun ein weiteres Problem.

Feind der Demokratie

„Würden wir nach heutigen Wertemaßstäben urteilen, müssten 90 Prozent der Straßennamen verschwinden“, erklärte Hans-Christian Herrmann, Direktor des Stadtarchivs Saarbrücken. Bis zum Ersten Weltkrieg habe in der Stadt ein nationalistisch-protestantischer Kanon geherrscht. Im Straßenbild wurden Sozialdemokrat*innen oder Katholik*innen gänzlich verschwiegen. „Hindenburg ist ein Feind der Demokratie, der sich selbst als Vaterlandsretter inszeniert hat“, charakterisierte Herrmann den preußischen Junker, der eine ganze Generation Deutscher manipuliere.

Schüler*innen oft radikaler

Professorin Bärbel Kuhn zeigte die Spannweite von Straßennamen auf. Anwohner*innen identifizierten sich oftmals mit den Straßen, in denen sie lebten. „Das hat eine hohe Emotionalität“, erläuterte sie. Andererseits müsse man sich stets die Frage stellen, ob die betreffende Person der Ehrung durch einen Straßennamen würdig gewesen sei. „Schüler*innen gehen bei Projekten an Straßenumbenennungen viel intensiver heran als die gewählte Stadtspitze“, erklärte die Dozentin der Universität Siegen. Aus ihrer Sicht müsse der Geschichtsunterricht herausarbeiten, warum eine Person in ihrer Zeit als Vorbild gesehen wurde und ob diese Kriterien noch in unsere heutige Gesellschaft passen.

Identifikationsfigur Bismarck?

„Wenn die Vorbildfunktion das Totschlagargument ist, müsste überall der Antisemit Richard Wagner aus dem Stadtbild verschwinden“, monierte der ehemalige saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimmt (SPD). Im Auswärtigen Amt sei der „Bismarck-Raum“ unter der Ägide Baerbock umbenannt worden, erinnerte der ehemalige Politiker. Doch müsse man ihn als einen großen „Nation Builder“ sehen. „Wer als Deutscher einen Bezug zur Vergangenheit sucht, kommt an Bismarck nicht vorbei“, behauptete der Sozialdemokrat.

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