VVN-BdA: Die frühen Konzentrationslager 1933/34

11. August 2023  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Französische Deutschlandkarte mit Standorten von Gefängnissen, Konzentrationslagern und Arbeitslagern, um 1934 (© Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv.-Nr.: Do2 93/1226)

Die Gewalt gegen Andersdenkende, die sich mit der Errichtung der ersten Konzentrationslager (KZ) Bahn brach, war Thema bei dem Vortrag „Die Zerschlagung des Widerstands“. Dieser wurde von der Vereinigung der Verfolgten den Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) organisiert.

Schlag gegen die politische Linke

„Gewalt, Hunger, Entrechtung.“ Mit diesen Worten beschrieb Maxi Schneider, Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA, das Leben von 50.000 Menschen, die im März/April 1933 von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ genommen wurden. Bis zum Ende des Jahres sollte die Zahl der Inhaftierten auf 200.000 ansteigen. Unter Bezug auf die „Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat“ (Reichstagsbrandverordnung) vom 28. Februar wurden linksgerichtete Menschen – Sozialdemokrat*innen, Gewerkschafter*innen, Sozialist*innen und Kommunist*innen – ohne Gerichtsurteil verhaftet, Gewerkschaften und Parteien verboten.

Den Volkskörper „reinigen“

„Mit diesem Terror sollte jeder Widerstand der Opposition gebrochen, die Arbeiter*innenorganisationen zerschlagen werden“, faste sie zusammen. Doch auch Mitglieder des katholischen Zentrums oder der liberalen DDP kamen in die Lager, wenn sie sich gegen die neuen Machthaber stellten. „Im KZ Moringen in Niedersachsen waren vor allem Zeuginnen Jehovas, Jüdinnen und sogenannte ,Rasseschänderinnen‘ inhaftiert“, erläuterte sie die Ausweitung der Verfolgung. Waren erst nur die politischen Gegner*innen in Fokus, weitete sich die Jagd bald auf alle aus, die nicht der NS-Volksgemeinschaft entsprachen.

Etwa durch die reichsweite „Bettler-Razzia“, bei der im September 1933 Wohlfahrtsorganisationen in Zusammenarbeit mit Gestapo und Polizei Wohnungslose und Straßenprostituierte in Arbeitshäuser steckten. Weitere verfolgte Gruppen waren Jüd*innen, Homosexuelle und „Berufsverbrecher*innen“.

Das Netz der Lager

1933 war ganz Deutschland von rund 100 KZ sowie unzähligen Schutzhaftabteilungen in bestehenden Gefängnissen, Folterkellern in SA-Sturmlokalen oder in Wehrmachtkasernen überzogen. Wegen der überfüllten Gefängnisse wurden die ersten Lager in allen möglichen Gebäuden eingerichtet. „Das KZ Sachsenburg entstand in einer ehemaligen Spinnfabrik und wurde von dem sächsischen Landeskriminalamt geleitet“, erklärte Schneider. Das KZ Heuberg hingegen nutzte die Räume eines früheren Kinderheims und war dem württembergischen Innenministerium unterstellt. Während der Hamburger Polizeisenator das KZ Wittmoor in einem einstigen Torfwerk erbauen ließ, teilte sich das KZ Ankenbuck in Baden das Gelände mit einer Arbeiter*innenkolonie der Inneren Mission.

Machtdemonstration und Einschüchterung

„Hier wurde der Grundstein für die nach 1936 errichteten Großlager der SS gelegt“, bilanzierte Schneider. In öffentlichkeitswirksamen Aktionen wurden gegnerische Politiker – etwa in Karlsruhe – in die Lager gebracht. Diese Machtdemonstrationen dienten der Einschüchterung der kritisch eingestellten Bevölkerungsteile. Viele Insassen wurden in den Lagern ermordet. Die, die nach mehreren Monaten Haft schließlich entlassen wurden, dienten als abschreckenden Beispiel, um zu verdeutlichen, was mit Regime-Gegnern passiere.

Kampf um Arbeiter*innen-Hochburg

„Ein Fünftel der frühen KZ wurde in Sachsen, der Hochburg der deutschen Arbeiter*innenbewegung errichtet“, erläuterte Daniela Schmohl vom VVN-BdA Leipzig. In den 30er Jahren waren sozialistische Parteien und die Gewerkschaftsbewegung auch in den kleinen Dörfern fest verwurzelt. 1930 überfiel die SA Sachsen das Dorf Bernsgrün im Erzgebirge, wo die KPD Wahlerfolge von bis zu 60 Prozent verbuchen konnte. „Die Braunhemden wurden von den Arbeiter*innen jedoch von der Straße geprügelt“, schilderte Schmohl den missglückten Angriff.

Die Rache der SA

Die Rache kam im März 1933, als die SA das Sportheim des Ortes besetzte, um dort ein Konzentrationslager zu errichten. Aus der gesamten Region wurden Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre nach Bernsgrün gebracht und dort misshandelt. „Mindestens zwei Menschen sind dabei gestorben“, erläuterte das VVN-BdA-Mitglied. Die SA-Standarte 105 ließ sogar eigene Postkarten drucken, um die Besetzung des Sportheims propagandistisch zu dokumentieren.

Jugendherberge wird zu KZ

Ein weiteres Beispiel für eines dieser frühen KZ ist Burg Hohnstein, das Wahrzeichen der gleichnamigen Stadt in der Sächsischen Schweiz. In der Weimarer Republik war der einstige Amtssitz zur Jugendherberge mit 800 Betten umgebaut worden, die KPD errang bei der letzten Reichstagswahl 1933 in dem Bezirk 26 Prozent. „Drei Tage nach der Wahl errichtete die SA auf der Burg ein Schutzhaftlager“, erklärte Steffen Richter von AKuBiZ e.V.

„Romantisches Gefängnis“

Bald wurden dort Häftlinge aus ganz Sachsen bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt, während die Lokalpresse von einem „romantischen Gefängnis auf der idyllischen Burg“ schrieb. Neben Arbeiter*innen waren auch Künstler*innen und sogar Prinz Heinrich von Sachsen dort inhaftiert. Von den insgesamt 5.600 Gefangenen waren 100 Frauen und 400 Jugendliche. Viele von ihnen wurden zum Straßenbau in der näheren Umgebung eingesetzt. Mindestens 20 Gefangene starben. 1934 wurden viele Häftlinge in das KZ Sachsenburg überstellt, das Lager 1935 zur HJ-Schulungsstätte und 1939 zum Kriegsgefangenenlager umfunktioniert.

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