Aufklärung der Polizei-Fehler, damit so ein schrecklicher Anschlag nicht noch einmal passiert, war das Anliegen von Ajla Kurtović. Die Schwester des in Hanau ermordeten Hamzas sprach im DGB-Haus Nürnberg mit Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair.
Fehler der Polizei
Der Attentäter von Hanau erschoss am 19.2.2020 in der Hanauer Innenstadt sowie im Stadtteil Kesselstadt neun Menschen. Doch der Polizei-Einsatz war von vielen Pannen und Fehlern begleitet, erläuterte Kurtović. So sei das Notrufsystem der Polizeidirektion überlastet gewesen, obwohl die Probleme laut Angaben anonymer Polizeibediensteter seit 20 Jahren bekannt gewesen seien. Obwohl die Polizei das Autokennzeichen des Täters hatte, brauchten die Einsatzkräfte vier Stunden, um zur Wohnadresse des Täters zu fahren und eine weitere Stunde, um die Leiche des Attentäters im Haus zu finden.
Fehler im Untersuchungsausschuss
Fragen bleiben auch im Hinblick auf den zweiten Tatort, die „Arena Bar & Café“, offen. Dort starben Ferhat Unvar, Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović. Der Notausgang, der den jungen Menschen die Flucht ins Freie ermöglicht hätte, war verschlossen. Doch der eingesetzte Untersuchungsausschuss legte diesen Sachverhalt zu den Akten, ebenso wie die Ermittlungen gegen den Täter, da diese durch Suizid überflüssig geworden seien. „Die Regierungsfraktionen sind nicht um Aufklärung bemüht“, fasst Kurtović ihr bitteres Fazit zur rechtlichen Aufklärung des Anschlags zusammen. Auch, dass ihr blonder und hellhäutiger Bruder in den Polizeiakten als orientalisch-südländisch beschrieben wurde, lässt sie an der Objektivität der Sicherheitsbehörden zweifeln.
Kein Informationsaustausch
Wichtig sei, den Weg der Radikalisierung nachzuzeichnen, um so künftige Anschläge zu verhindern, ist sie sich sicher. Die Rolle verschiedener Internetforen oder auch AfD-Politiker wie Björn Höcke, der in seinen Reden „Ausländer“ als Menschen zweiter Klasse bezeichnete und sie als nicht zu diesem Land zugehörig bezeichnete, müsse stärker untersucht werden. „Es fand kein Austausch der einzelnen Behörden statt“, kritisiert Kurtović das Nebeneinander von Polizei und Gesundheitsbehörden. Hätten die Landespolizeien von Bayern und Hessen ihre Erkenntnisse mit dem Gesundheitsamt und weiteren Behörden ausgetauscht, hätte man erkennen können, dass man einen straffälligen Menschen vor sich hatte, der trotz erfolgter Psychiatrie-Einweisung eine Waffe besaß.
Stadt und Zivilgesellschaft
Positiv hob sie das Engagement der Kommune hervor. „Die Stadt Hanau war vom ersten Tag bis heute an unserer Seite“, beschreibt sie den regelmäßig stattfindenden Kontakt. Auch handele es sich bei dem Grab ihres Bruders um ein „ewiges“ Ehrengrab, da der Anschlag Teil der kollektiven Stadtgeschichte sei. Mut mache auch die „Initiative 19. Februar“, in der eine starke Zivilgesellschaft Hinterbliebenen, Angehörigen und Sympathisant*innen Austausch in einem offenen Raum ermögliche. „Diese Solidarität verleiht Stärke“, bedankt sich die junge Frau bei unzähligen Aktivist*innen. Die Familie hat in Gedenken an ihren Bruder den Hamza Kurtović-Award („Mit Dialog gegen Rassismus“) ausgeschrieben.
Weiterführende Links:
- Tagesschau (19.2.2021): „Unsere Welt blieb stehen am 19. Februar“ – https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/interview-hanau-kurtovic-101.html
- Initiative 19. Februar Hanau – https://19feb-hanau.org/
- Kampfsportverein Lotus Eppertshausen/Rödermark e.V. (31.10.2020): Mit Dialog gegen Rassismus – https://www.karate-lotus.de/news-archiv/48-mit-dialog-gegen-rassismus