Das rassistische Erbe der Schweiz

10. Mai 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Die Historikerin Paola De Martin, Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0

Über die Reinhaltung der Schweizer Volksgemeinschaft, rassistische Volksbegehren und Traumata italienischer Gastarbeiter*innenfamilien ging es in der 19. Folge des Many-Podcasts. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung widmete sich den „Zerrissenen Familien“ in der Eidgenossenschaft.

Schweiz: Ausländer raus

Die „Nationale Aktion“ machte 1970 unter dem Nationalrat James Schwarzenbach den in der Schweiz herrschenden Rassismus für alle sichtbar. In der so genannten „Schwarzenbach-Initiative“ wurde die Ausweisung fast aller „Ausländer“ gefordert. Nur 10 Prozent dürften noch im Land bleiben. Die Abstimmung scheiterte knapp – fast jeder Zweite (46 Prozent der stimmberechtigten Männer) sprach sich für die Gesetzesvorlage aus.

Harte Beschränkungen

Dabei waren die Voraussetzungen für die meist italienischen Gastarbeiter*innen in dem Land sowieso schon erdrückend. „In den 60er Jahren konnten Italiener*innen nur einreisen, wenn sie einen Schweizer Arbeitsvertrag vorzuweisen hatten“, schilderte die italo-schweizerische Historikerin Paola De Martin die damaligen Zustände. Oft behielt der Arbeitgeber die Pässe ein. Die Arbeitsstelle durfte nicht gewechselt werden.

Integration verhindern

„Nach neun Monaten mussten die Gastarbeiter*innen das Land verlassen, um anschließend erneut einzureisen“, führte sie weiter aus. Hatte man dies fünf Saisons lang gemacht, bestand nach einiger Zeit die Chance auf eine dauerhafte Niederlassung in der Schweiz. Doch nur für die Erwachsenen. „Die in der Schweiz geborenen Kinder italienischer Eltern wurden von der Fremdenpolizei oft nach Italien abgeschoben“, beschrieb De Martin die gängige Praxis. Die Familien wurden auseinandergerissen, um eine Integration in die Schweizer Gesellschaft zu verhindern.

Aufarbeitung ist nötig

„Das war ein Versuch, die angebliche Volksgemeinschaft im Inneren zu säubern und rein zu halten“, kommentierte sie das staatliche Vorgehen. Ähnlich wurde auch mit Familien aus ärmlichen Verhältnissen verfahren. In den 80er Jahren verbrachte der Staat unter dem Vorwand, die Eltern könnten nicht ausreichend für ihre Kinder sorgen, diese in Erziehungsheime. Als Kind italienischer Gastarbeiter*innen fordert De Martin mit der Initiative „Schwarzenbach-Komplex“ eine Entschuldigung sowie umfassende gesellschaftliche Aufarbeitung des erlittenen Leids. „Diese Politik hinterließ tiefe Traumata in den italienischen Familien“, mahnte sie.

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