Die Rechten und die Demokratie

26. November 2022  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Pegida-Demonstration in Dresden, 25.1.2015. Die Bewegung hat aufgrund ihrer fremden- und islamfeindlichen Ideologie erwiesen rechtsextremistische Bestrebungen (Urheber: Kalispera Dell, CC BY 3.0)

Die soziale Komponente des Volksbegriffs sowie die irrige Aneignung durch rechte Akteure wie Pegida waren Schwerpunkte des Vortrags von Dr. Robert Feustel. Der Wissenschaftler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena referierte im Rahmen der „Demokratie“-Reihe der Stiftung Demokratie Saarland.

Militärputsch oder Diktatur?

„Demokratie bewegt sich immer in einem Spannungsfeld“, beschrieb Feustel die Probleme der Regierungsform. Als Beispiel dienten ihm der Beginn des Algerischen Bürgerkriegs 1992 sowie die Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler. 1992 ließ das Militär die algerischen Parlamentswahlen annullieren, als sich der Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS) abzeichnete. Die Partei sprach sich für die Errichtung eines islamischen Staats aus. Der nun ausbrechende Bürgerkrieg kostete bis zu 150.000 Menschen das Leben. Ähnlich, doch anders war hingegen eine Wahl 1933 verlaufen. Obwohl es Hitlers erklärtes Ziel war, die Demokratie abzuschaffen, wurde die Reichstagswahl von Zeitgenossen als legitim angesehen, da die NSDAP demokratisch gewählt worden sei.

Volk: Besitzlose aller Länder, …

Doch auch unsere heutige Sichtweise ist manchmal fehlerbehaftet. So durften in Athen, der „Wiege der Demokratie“ nur 20 Prozent der Bevölkerung – Männer mit Bürgerrecht – wählen. Die überwältigende Mehrheit der Menschen – Frauen, Sklaven, Fremde – waren von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. „Ein vergleichbarer Irrtum liegt bei der Bezeichnung ‚Volk‘“, erläuterte er. Im mittelalterlichen Sprachgebrauch war damit die soziale Gruppe der „einfachen Leute“ in Abgrenzung zu Klerus und Adel gemeint. Diese soziale Dimension kam vollkommen unabhängig von nationaler Herkunft, Ethnie oder Hautfarbe aus. Vergleichbar ist sie mit dem lateinischen „plebs“ / „plebejer“, das lediglich die nicht-adelige Bevölkerung Roms beschrieb.

Die Erfindung der Nation

Erst im 17. Jahrhundert entstand eine Kombination von „Volk“ und „Nation“, die 200 Jahre später in der rassischen „Erfindung“ unterschiedlicher Nationen gipfelte, denen das eigene Volk zugehörig sei. 1989 gingen die Demonstrierenden mit der Forderung „Wir sind das Volk“ auf die Straße, um im Namen der im DDR-Regime inhaftierten und unterdrückten Menschen zu sprechen. Diesen Spruch nahmen 2015 rechte Bewegungen wie PEGIDA erneut auf, um sich als Sprachrohr der Mehrheit zu inszenieren. „Ihr Slogan müsste lauten: ‚NUR wir sind das Volk‘“, erklärte der Wissenschaftler. Denn die mehrheitlich „weißen, alten Männer“ bedienten sich der nationalistischen Definition, ohne die soziale, Staatsgrenzen überschreitende Bedeutung wahrzunehmen.

Demokratie ist Minderheitenschutz

„Rechte wollen oftmals eine ‚direkte Demokratie‘ nach dem Schweizer Vorbild“, griff Feustel eine Forderung auf. Der oft zitierte Wunsch nach Volksabstimmungen reduziere jedoch komplexe Sachverhalte auf einfache Ja- oder Nein-Ergebnisse. Dies mache diese Demokratieform anfällig für populistische Argumente. Eine weitere Spielart rechten Denkens sei die ‚unmittelbare Demokratie‘. „Die Meinung des Volkes wird mit sofortiger Konsequenz von einer Führerfigur vollstreckt“, beschrieb er das Konzept. Beispielhaft dafür sei etwa die Sportpalastrede von Propagandaminister Paul Joseph Goebbels vom Februar 1943, in der dieser stellvertretend für das deutsche Volk den totalen Krieg ausrief. Doch gälten in solch einer Situation keine Minderheitenrechte mehr. „Schon Alexis de Tocqueville hatte 1840 vor der ‚Tyrannei der Mehrheit‘ gewarnt“, erläuterte Feustel den Minderheitenschutz als Grundpfeiler demokratischer Politik.

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