Die Rechten und die Friedensbewegung

20. April 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Logo „Stoppt das Töten in der Ukraine“ (DFG-VK)

Ein Überblick über rechte Agitation bei Friedensdemonstrationen sowie Kritik am Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer waren Thema bei der Veranstaltung „Rechte Vereinnahmungsversuche in der Friedensbewegung“. Diese fand im Rahmen der Webinarreihe 2023 mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen unter dem Motto „Stoppt das Töten in der Ukraine“ statt.

Rechtsextremer Antisemitismus

Stephan Lindner von attac Deutschland blickte weit zurück, als er eine Rede von Jürgen Elsässer anlässlich einer Montagsmahnwache im sog. „Friedenswinter“ 2014 analysierte. Der Chefredakteur der rechtsextremen Zeitschrift „Compact. Magazin für Souveränität“ sprach dabei von dem einen Prozent der internationalen Finanzoligarchie, die mit ihrer Zinsschlinge Arbeitslose, Arbeiter, aber auch Unternehmen erdrossele und nannte konkrete Namen. „Rockefeller, Rothschild, Soros […] [benutzen] die Federal Reserve […], um die ganze Welt ins Chaos zu stürzen“, rief der „Chefideologe der Neuen Rechten“ (Der Spiegel) ins Mikrofon. Doch sei dies für ihn selbstredend kein Antisemitismus.

Die „jüdische Weltverschwörung“

„Wenn man behauptet, dass eine kleine, als übermächtig dargestellte Elite die Welt kontrolliert, ist das natürlich ein antisemitisches Narrativ“, erläuterte Lindner. Ähnliches habe er im Zuge des Ukraine-Krieges gehört, als jemand eine kleine Gruppe psychopathischer Eliten als Drahtzieher des Konfliktes ausmachte, welche Banken, das Finanzwesen und die Regierungen kontrollierten. Diese Gruppierung verdiene ihr Geld durch beide kriegsführende Parteien. „Das ist fast eins zu eins die Behauptung von der jüdischen Weltverschwörung“, warnte Lindner.

Das „raffende Kapital“

So sei auch die Forderung erhoben worden, das „Schuldgeld“ und die damit einhergehenden „systemischen Kriege“ abzuschaffen. „Die ‚Argumentation‘, dass das Weltgeschehen von Zins und Zinseszins gelenkt werde, geht auf antisemitisches Denken zurück“, sagte Lindner. Bedeutend sei das „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ (1919) des späteren NS-Wirtschaftstheoretikers Gottfried Feder gewesen. Dem positiv gesehenen Industriekapital (z.B. des deutschen Rüstungsherstellers Krupp) stellte dieser das raffgierige Leihkapital (z.B. der Bankiersfamilie Rothschild) gegenüber. „In diesem Denken ist nicht die sozialistische Vergesellschaftung von Betrieben, sondern allein die ‚Rassenfrage‘ die Lösung“, verdeutlichte er das menschenfeindliche Denken.

Deutsch-Russischer Imperialismus

Auch AfD-Politiker wie Björn Höcke äußerten sich zu Krieg und Frieden in der Ukraine. So plädierte der rechtsextreme thüringische Landtagsabgeordnete bei einer Kundgebung in Gera, Russland sei der natürliche Partner Deutschlands und gemeinsam könne man dem US-Machtanspruch etwas entgegensetzen. „Damit nimmt er klar Bezug auf den russischen Ideologen Alexander Dugin“, erklärte Lindner. Dieser strebe einen Imperialismus wie im 19. Jahrhundert an, in dem Russland, Deutschland und Japan sich den eurasischen Kontinent aufteilten. „Die baltischen Staaten und Polen fallen in dieser geopolitischen Idee an Russland“, führte er das Konzept fort.

Wagenknecht: kaum Abgrenzung

Florian Gutsche, Mitglied des Bundessprecherkreises der VVN-BdA, kritisierte die Demonstration „Aufstand für Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, die am 25. Februar in Berlin stattfand. So nahmen an der Kundgebung beispielsweise zahlreiche AfD-Mitglieder teil. „Es wurde weder klargestellt, wer der Aggressor und wer das Opfer ist, noch der zusätzliche deutsche Rüstungsetat von 100 Milliarden Euro erwähnt“, erläuterte Gutsche. Aus globaler Solidarität sei es unbedingt notwendig, diese Summe zur Bewältigung der Klimakrise, für Gesundheit und Bildung, nicht für Rüstungskonzerne auszugeben. „Mit der Forderung nach Recht auf Asyl für alle Kriegsdienstverweigerer hätte man sich inhaltlich leicht von rechten, nationalistischen Ideologen abgrenzen können“, sagte er.

General und Führer-Jurist

Lindner wies darüber hinaus auf den früheren Brigadegeneral Erich Vad hin, der damals zusammen mit Wagenknecht und Schwarzer auf der Bühne stand. Dieser hatte 2003 in der rechtsextremen Zeitschrift „Sezession“ von Götz Kubitschek einen Artikel zu dem Staatsrechtler Carl Schmitt veröffentlicht. Schmitt gilt als „Kronjurist des Dritten Reichs“ und hatte das „Röhm-Massaker“, bei dem Hitler im Juni/Juli 1934 etwa 90 politische Gegner aus den eigenen Reihen ermorden lies, wie folgt, legitimiert: „Der Führer schützt das Recht […], wenn er […] kraft seines Führertums als Oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft.“

Wider die multikulturelle Gesellschaft

Laut Vad erkannte Schmitt „die Bedeutung des Großraums und einer entsprechenden Ordnung“ bzw.. […] entsprechender „geistiger Zentralgebiete“. Gemäß Samuel Huntingtons „Kampf der Kulturen“ seien die weltweit existierenden Kulturen [„mehrere tausend“] das Bezugsfeld für Kriege. „Die wichtigsten Auseinandersetzungen der Zukunft scheinen an den Grenzen aufzutreten, die Kulturkreise voneinander trennen“, so Vad weiter. Der Artikel schließt mit den Worten „Anders als viele hoffen, sind diese Gesellschaftskonzepte [weltweite Entfaltung der Menschenrechte, friedlicher Ausgleich der Kulturen und Zivilisationen sowie freizügige, offene und multikulturelle Gesellschaften] potentielle Konfliktherde.“

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