Rasse, Klasse, Nation

18. März 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Wallerstein (Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0)

Die Spezifika des heutigen Rassismus, auch unter einer intersektionalen Fragestellung, sind Thema des Buches „Rasse Klasse Nation“. Die sechste Folge des Theoriepodcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung besprach die Aufsatzsammlung von Étienne Balibar und Immanuel Wallerstein.

Weltsystem Kapitalismus

Wallerstein zufolge stellt der Kapitalismus ein historisches Weltsystem dar, dessen Anfang in den norditalienischen Städten im 15. Jahrhundert liegt. Diese „Zentren“ – später die Niederlande, England sowie die Vereinigten Staaten – beuteten die Gebiete der „Peripherie“ durch eine unendliche Akkumulation aus. Dabei lieferten die privaten Haushalte der globalen Arbeiter*innenklasse die Profite internationaler Monopolkonzerne.

Proletariat und Aristokratie

Seiner Ansicht nach führte die Erwerbsfähigkeit aller Familienmitglieder – die sogenannte Proletarisierung – zu einem höheren Einkommen der Lohnabhängigen. Bei der Bourgeoise entdeckte er hingegen eine Aristokratisierung. Dies bedeutet, dass das Bürgertum aufgrund der Renteneinnahmen aus Monopolunternehmen ein luxuriöses Leben führen könne.

Rassismus, Ausbeutung, Nation

Gleichfalls trete man für den freien Verkehr von Arbeitskräften auf dem globalen Markt ein, wobei bestimmte Lohngruppen – etwa in den Kolonien – rassifiziert werden. Der Rassismus diene als Druckmittel, um deren Lohn möglichst gering zu halten. Der Rassifizierung steht wiederum der Nationalismus als einer fiktiven Einheit des Volkes gegenüber. In Schule und der Familie werde die Erzählung einer angeblichen gemeinsamen Herkunftsgeschichte sowie die Sakralisierung des Staates von Generation zu Generation weitergegeben. Als in Schule und Literatur ständig reproduziertes Merkmal gelte etwa die Nationalsprache.

Kultureller Neorassismus

Balibar, der in den 80er Jahren aus der Kommunistischen Partei Frankreichs ausgestoßen wurde, definiert Rassismus als Gewalt gegen als „minderwertig“ klassifizierte Menschen. Allerdings unterschied sich der Neorassismus, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufkam von dem ursprünglichen rassistischen Denken, dass sich auf die Reinheit des Blutes und eine elitäre Nation berief. Heutige Rassist*innen sagten von sich selbst, dass sie nicht rassistisch seien. Im Sinne des „Ethnopluralismus“ warnten sie stattdessen vor der Vermischung der Kulturen.

Deutschland und Trump

Das 1988 – noch zu Zeiten des Kalten Krieges – entstandene Buch weist heute noch eine hohe Aktualität auf. So wurde die dort beschriebene hierarchische Ordnung, laut der eine (weiße) Gesellschaftsschicht die Herrschaft über die anderen hat, von Donald Trump politisch wieder offensichtlich propagiert. Auch fiel das Erscheinen der deutschen Übersetzung 1992 in eine Phase rassistischer, gewalttätiger Pogrome – man denke etwa an die Anschläge und Ausschreitungen von Hoyerswerda (1991), Rostock-Lichtenhagen (1992), Mölln (1992) und Solingen (1993). Die Lektüre des Buches hilft zu verstehen, wie Menschen sich polarisieren und ein rassistisches Weltbild entwickeln. Aufgabe der Linken ist es, einen nicht-rassistischen Gegenentwurf zu bieten.

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