Solidarität in der Krise?

31. Mai 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Warnstreik der IG Metall und Elektro am Opernplatz in Hannover, 16.11.2022 (Bernd Schwabe in Hannover CC BY-SA 4.0)

Um Solidarität als erlebte Aktion im betrieblichen Arbeitskampf, aber auch den Wandel weg vom klassischen Arbeiter*innenmilieu ging es bei der Veranstaltung „Solidarität in den Krisen der Arbeitswelt“. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen organisiert.

Gemeinsam stark

Erfolgreiche Arbeitskämpfe benötigen eine gute Bündnispolitik, die auch außerbetriebliche Solidarität erzeuge. Zu dieser Erkenntnis kam der Soziologe Richard Detje. Als Beispiel nannte er eine ausgegliederte, nicht mehr nach dem TVöD bezahlte Krankenhausbelegschaft, die unter dem Slogan „Wir sind EINE Klinik!“ eine arbeitsfeldübergreifende Allianz aus Pflegekräften, Ärzt*innen, Reinigungs- und Küchenpersonal schmiedete.

Arbeitswelt ändert sich

Doch die von Marx postulierte Solidarität der Arbeiter*innenklasse sei heute kaum zielführend, erläuterte der Wissenschaftler. Denn das einstige Fabrikproletariat hätte sich in vielfacher Weise ausdifferenziert. „Facharbeiter*innen, schlechtbezahlte Scheinselbstständige, die befristet Angestellten in Wissenschaft und Forschung“, zählte Detje einige der unterschiedlichen Gruppen auf. Ebenso wie die Arbeitswelt hätte sich auch der Solidaritätsbegriff gewandelt. Solidarität mit Pflegepersonal während der Corona-Pandemie oder mit Ländern im globalen Süden aufgrund des Klimawandels habe einen stärker gesellschaftspolitischen Fokus und weniger Bezug zum eigenen Arbeitsumfeld.

Zusammen gegen Arbeitgeber*innen

Doch trotz dieser Veränderungen machte er drei entscheidende Merkmale von Solidarität aus. Die arbeitsteilige Gesellschaft basiere auf dem Wechselverhältnis von geben und nehmen. „Der Starke unterstützt den Schwachen – und erhält in Momenten eigener Schwäche Hilfe von der Gemeinschaft“, brachte Detje es auf den Punkt. Auch sei Solidarität interessengeleitet, da man die eigenen Interessen gemeinsam gegen den Widerstand der Arbeitgeber*innen durchsetze. Und schlussendlich entstehe Solidarität in aktivem Handeln, etwa einem Streik oder ähnlichen Maßnahmen.

Solidarität herstellen

Wie dies aussehen könnte, stellte Carsten Büchling, Vorsitzender des VW-Betriebsrats, dar. Der Standort Kassel beschäftige rund 16.000 Mitarbeiter*innen, davon etwa 5.000 über eine Leiharbeitsfirma angestellt. Obwohl Hilde Wagner in ihrem Aufsatz „Solidarität in Zeiten der Krise“ mit Bezug auf Alex Demirovic darstellte, dass milieubedingte Solidarität durch berufliche Individualisierung stark abgenommen habe, sei dies in Kassel anders gewesen.

„Wir sind eine Belegschaft“

„85 Prozent der Belegschaft wollen mit Verzicht auf bezahlte Überstunden oder die kollektive Inanspruchnahme von Brückentagen die Arbeitsbedingungen von Leiharbeiter*innen verbessern“, erläuterte Büchling die Ergebnisse einer Befragung von 2016 vor. Das Ergebnis: Mittlerweile werden die meisten über Leiharbeitsfirmen angestellten nach Ablauf der Frist in den Haustarifvertrag des Konzerns übernommen.

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