Vergesellschaftung: Gesundheit und Pflege

27. April 2022  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Ausgabe: Besitz ergreifen – https://zeitschrift-luxemburg.de/...

Die Rückführung von sozialen Dienstleistungen und Pflege-Konzernen in Gemeineigentum ist möglich. Die aktuelle Ausgabe von LuXemburg. Gesellschaftsanalyse und linke Praxis (1/2022) beschäftigt sich unter dem Titel „Besitz ergreifen“ mit dem Thema Vergesellschaftung.

Sorgearbeit: individualisiert und weiblich

Ein Großteil häuslicher Sorgearbeiten liegt auf den Schultern Einzelner. Gemäß der letzten Zeitverwendungssstudie der Bundesregierung (2012/13) arbeiten Frauen rund 30 Stunden pro Woche, Männern ca. 20 in diesem Sektor. Wie man dies ändern kann, sieht man in Spanien, Argentinien, Chile oder Uruguay.

Barcelona: Kinderkrippen und Mehrgenerationenhäuser

Die linke Stadtregierung von Barcelona stellte 2017 Sorgearbeit ins Zentrum ihrer kommunalen Wirtschaftspolitik. Dabei wurde die Selbstorganisation von Bürger*innen und Genossenschaften besonders gefördert. Das Dezernat für „Gemein-, Sozial- und Solidarwirtschaft“ strukturierte alle bestehenden Care-Aufgaben um. Das Ziel lautete, die konkrete Verbesserung im Alltag mit einer geschlechtergerechten Sorgeökonomie zu verbinden. Die meisten der 68 Einzelmaßnahmen waren darauf ausgerichtet, neue öffentliche Infrastrukturen wie Familienzentren und Krippen zu schaffen, bestehende auszubauen und den Zugang für vulnerable Gruppen zu erweitern. Mehrgenerationenhäuser wurden finanziell stärker unterstützt.

Madrid: Kommunikative Stadtplanung

Das Parteienbündnis Ahora Madrid legte 2015 mit dem Aktionsplan „Stadt der Sorgsamkeit“ („Ciudad del Cuidado“) den Fokus auf demokratische Teilhabe und die Unterstützung lokaler Selbstorganisierung. Spielplätze wurden als integraler Teil von öffentlichen Plätzen und Parks angelegt, um Eltern, Kinder, Nachbar*innen und ältere Menschen miteinander zu vernetzen. Breite und ausgeleuchtete Wege mit einsehbarer Begrünung geben insbesondere Frauen und queeren Menschen ein besseres Sicherheitsgefühl.

Südamerika

In Valparaiso (Chile) ermöglichte es die Selbstorganisierung von Nachbar*innen in Kooperation mit der linken Stadtverwaltung, dass Apotheken wichtige Medikamente weit unter dem Marktwert anbieten konnten. In Rosario (Argentinien) erhielt eine illegale Siedlung statt des Abrissbescheids eine vollumfängliche Infrastruktur mit Wasseranschluss, Kanalisation und Internet sowie Schulen, Parks und Sportplätzen. Finanziert wurde die Anbindung des neuen Stadtteil durch eine einmalige Abgabe auf große Vermögen, die die neue Mitte-links-Regierung des Landes erhoben hatte. Uruguay gab eine Zeitverwendungsstudie in Auftrag und möchte so ermittelte unbezahlte Sorgearbeit in ein erweitertes Bruttoinlandsprodukt einrechnen. Damit soll auf die aktuelle Abwertung von Sorge- als „Frauenarbeit“ hingewiesen werden.

Deutschland

Auch in der Bundesrepublik nehmen gewerkschaftliche Streiks in Pflege (ver.di) oder bei Sozial- und Erziehungsdiensten (GEW) zu. Aktionsbündnisse kämpfen für bessere Bedingungen in der Altenpflege (Pflege in Bewegung, Gesundheit statt Profit), Medi-Büros ermöglichen „Illegalisierten“ Zugang zu medizinischer Versorgung. Stadtteil-Gesundheitszentren (Polikliniken) haben auch die sozialen Faktoren von Gesundheit der Menschen im Viertel im Blick. „Einstiegsprojekte“ können die Rekommunalisierung privater Dienstleister in der Altenpflege oder der Ausbau von Gesundheits- und Nachbarschaftszentren sein. Diese ermöglichen Unterstützungsangebote für ältere Menschen und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche, aber auch Elterngruppen für geteilte Sorgearbeit oder Gemeinschaftsküchen.

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