Katar: Wertegeleitete Wirtschaftspolitik?

27. Mai 2022  International
Geschrieben von Kreisverband

Tagesschau24 (20.5.2022): Besuch in Berlin: Wirtschaftsminister Habeck und der Emir von Katar unterzeichnen Energiepartnerschaft. Bild: ARD

Im Mai unterzeichnete Wirtschaftsminister Robert Habeck eine langfristige Energiepartnerschaft mit Katar. Flüssiggaslieferungen sollen Deutschland unabhängig von russischem Gas machen. Im Rahmen einer „wertegeleiteten“ Politik waren die Importe Putins in die Kritik geraten. Dessen autokratische Herrschaft in Russland, der blutige Krieg in der Ukraine, die Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit im eigenen Land, eine regierungstreue Justiz (vgl. Alexei Navalny) sowie Gesetze gegen Homosexualität sind nicht mit deutschen Werten vereinbar.

Demokratie

Das Emirat Katar ist eine absolute Monarchie, in der es keine politischen Parteien gibt. Die Staatsreligion ist der Islam, als Hauptquelle der Gesetzgebung gilt die Scharia. Im Juli 2021 ratifizierte Emir Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani ein Gesetz, das erstmals die Wahl einiger Mitglieder des Schura-Rats ermöglicht. Dieses beratende Gremium darf allerdings keine Gesetze verabschieden. Der Emir vereinigt weiterhin die Rolle des Staatsoberhaupts, der ausführenden und gesetzgebenden Gewalt auf sich.

Bombenkrieg im Jemen

Seit 2004 tobt im Jemen ein Bürgerkrieg. Die Huthi-Rebellen, eine von der im Nordwesten des Landes lebende Minderheit der Zaiditen getragene Bewegung, kämpft seitdem gegen die Zentralregierung. 2015 floh Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi nach Saudi-Arabien. Die Golf-Monarchie führte eine Militärkoalition aus den Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Kuwait, und Bahrain an, die Gebiete der vom Iran unterstützten Huthis bombardiert. Es kam zu über 24.000 Luftangriffen. 80 Prozent der jemenitischen Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, fünf Millionen Menschen laut UNHCR am Rande einer Hungersnot. Seit 2014 starben mehr als 200.000 Menschen im Krieg, durch Hunger oder Krankheiten.

Presse- und Meinungsfreiheit

Das Pressegesetz von 1979 ermöglicht die Vorabzensur von Medien. Medienberichte über die Regierungspolitik, die Königsfamilie und den Islam sind nur in engen Grenzen möglich. 2016 wurde das unabhängige Nachrichtenportal Doha News gesperrt. Der kenianische Blogger Malcolm Bidali, der sich für die Rechte von Arbeitsmigrant*innen einsetzte, wurde ohne Rechtsbeistand einen Monat in Einzelhaft gehalten, da er durch seine Aktivitäten „das öffentliche System des Staats […] gefährde.“ Zwei norwegische Journalisten, die zur Situation von Arbeitsmigrant*innen recherchierten, wurden während ihrer Arbeit inhaftiert und ihre gesamte Ausrüstung beschlagnahmt. Auf der Liste der Pressefreiheit belegt Katar Platz 119 (von 180). Es liegt somit noch hinter den vom Bürgerkrieg zerrütteten Staaten Mali (111) und Äthiopien (114).

Justiz

Die beiden Rechtsanwälte Hazza und Rashed bin Ali Abu Shurayda al-Marri wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, da sie Gesetze kritisiert und unerlaubte öffentliche Versammlungen organisiert hätten. Die Brüder aus dem al-Murra-Stamm hatten im August 2021 dagegen protestiert, dass sie von Gesetzes wegen von den Wahlen zum Schura-Rat ausgeschlossen worden waren. Seitdem befanden sie sich über sieben Monate in Einzelhaft. Abdullah Ibhais, ehemaliger Kommunikationsdirektor des Organisationskomitees der Fußball-WM 2022, wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, obwohl sein „Geständnis“ unter Zwang erpresst worden war und ohne Beisein eines Rechtsbeistands zustande kam. Für Kapitalverbrechen wie Mord gilt die Todesstrafe.

Arbeitsrechte

Nicht erst seit der Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar gab es Kritik am Umgang mit ausländischen Arbeitskräften. So war es für Arbeitsmigrant*innen nicht möglich, ihre Stelle ohne Zustimmung des Arbeitgebers zu wechseln. Die Einreise und der Aufenthalt konnten überwacht sowie Aufenthaltsgenehmigungen annulliert werden. Gegen das Einbehalten zustehender Lohnzahlungen seitens des Arbeitgebers waren juristische Schritte nur schwer möglich. Nach wie vor ist es Arbeitsmigrant*innen untersagt, Gewerkschaften zu gründen bzw. ihnen beizutreten.

Eine Evaluierung angekündigter Reformen, die Verbesserungen bringen sollten, ist kaum umsetzbar.

Weiterhin unterlassen es staatliche Behörden, den plötzlichen und unerwarteten Tod Tausender Arbeitsmigrant*innen gründlich zu untersuchen. So konnten Zusammenhänge zwischen Todesfällen und Arbeitsbedingungen nicht geklärt werden. Hinterbliebene erhielten demzufolge auch keine Entschädigungszahlungen.

Frauen und Sexualität

Frauen dürfen staatliche Stipendien für Auslandsstudien oder Arbeitsstellen im öffentlichen Dienst nur mit der Zustimmung ihres männlichen Vormunds (Vater, Bruder, Großvater, Onkel, Ehemann) annehmen. Nach Scheidungen erhalten stets die Männer die Vormundschaft für die Kinder. Homosexuelle Handlungen zwischen Männern werden mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft.

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