Die Klimakrise als Klassenfrage

12. September 2022  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Quelle: Oxfam International (2015)

Die Notwendigkeit klassenübergreifender Bündnisse für einen ökologischen Sozialismus sowie die soziale Ungleichheit hinsichtlich der Folgekosten des Klimawandels waren Kernpunkte des Vortrags von Hans Rackwitz (Uni Jena). Die Veranstaltung wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen organisiert.

Die Grenzen des Planeten

„Die ökologische Krise ist eine soziale Klassenfrage“, stellte der Doktorand der Soziologie fest. So seien ärmere Länder ungleich mehr von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, obwohl sie global gesehen kaum CO2 emittierten. Doch das Überschreiten der planetaren Belastungsgrenzen würden sie als allererste spüren, erläuterte er. Neben der Klimaerwärmung seien das etwa das Artensterben, das die Unversehrtheit der Biosphäre irreversibel zerstöre, das weltweite Ansteigen des Stickstoffgehalts, wodurch biochemische Kreisläufe unterbrochen würden oder die Abholzung der Regenwälder. Dies vernichte die „grüne Lunge“ des Planeten.

Klimawandel trifft die Ärmsten

Gleichfalls komme es so zum Erreichen kritischer Kipppunkte, die eine sich selbst verstärkende Kettenreaktion zur Folge hätten. „Trockenperioden und Abholzung von Wäldern führen zu massiven Baumsterben, sodass weniger CO2 gespeichert werden kann“, erläuterte Rackwitz. Da so mehr des schädlichen Treibhausgases in die Atmosphäre gelange, kommt es zur weiteren Erderwärmung, was das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien zur Folge habe. Das dadurch freigesetzte Methan verstärke den Prozess massiv, so dass die Polkappen schneller schmelzen, was wiederum zur Überflutung von Inseln und Küstenregionen führe. Während sich reiche Industrienationen einen kostspieligen Hochwasserschutz leisten könnten, sei dies bei ärmeren Staaten nicht möglich.

Reichtum und CO2

Laut einer Oxfam-Studie von 2015 sind die reichsten 10 Prozent für die Hälfte der weltweiten CO2-Emmissionen verantwortlich. Allerdings könne man dies nicht pauschal auf alle Einwohner*innen wohlhabender Industrienationen beziehen. Eine Hartz-IV-Empfängerin etwa könne gar nicht so viel konsumieren wie ein vielfliegender Manager. Dass der persönliche Ressourcenverbrauch mit der Höhe des Einkommens korreliert, machte Rackwitz am Beispiel sogenannter „Superjachten“ fest. „Die 300 größten Luxusschiffe produzierten 2019 genauso viel CO2 wie die 10,6 Millionen Einwohner*innen Burundis zusammen“, zog er einen Vergleich. Demzufolge sei die Klimakrise durchaus eine Klassenfrage.

Kapitalismus zerstört Mensch und Natur

Klassen sah er als soziale und wirtschaftliche Herrschaftsverhältnisse. „Die einen sind reich, weil die anderen arm sind“, veranschaulichte er den Zusammenhang. Die lohnabhängigen Arbeiter*innen könne es nur geben, weil die Klasse der Produktionsmittel-Besitzenden die Arbeitsbedingungen diktiere. Deren Ziel sei die Gewinnmaximierung, welche auf Kosten von Mensch und Natur erfolge. Zu Zeiten von Marx hätten die fossilen Energieträger die kapitalistische Produktionsweise enorm erhöht. Eine mit Kohle betriebene Dampfmaschine ersetzte in einer englischen Webstuhlmanufaktur beispielsweise eine Vielzahl von Arbeiter*innen.

Aber auch die Ökologie wurde damals schon in Mitleidenschaft gezogen. Die beginnende industrielle Landwirtschaft mit massivem Einsatz von Kunstdünger führte zum Auslaugen der Böden. Die Abkehr von der naturverbundenen Dreifelderwirtschaft verhinderte die Regenration der Äcker und hinterließ nur ödes Land. Was bei Marx nur lokale Schäden in Großbritannien waren, ist jetzt aufgrund Agrarindustrie und Monokulturen weltweit zu beobachten.

Übergreifende Bündnisse stärken

Um die Zerstörung des Planeten zu verhindern und zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem zu gelangen, braucht es Rackwitz zufolge eine Allianz zahlreicher Gruppierungen. „Wir müssen die Menschen, die Auto fahren, Fleisch essen und in umweltschädlichen Industrie-Branchen arbeiten, überzeugen und ins Boot holen“, sagte er. Die Beschäftigen selbst in den Betrieben müssten so Teil einer Konversionspolitik von unten werden. Beispiele solcher Bündnisse seien etwa ver.di und Fridays for Future, welche gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr kämpften.

Aber auch Gewerkschafter*innen von IG Metall und Umweltaktivist*innen verfolgten diese Strategie. Als ein Münchener Bosch-Werk abgewickelt werden sollte, weil die dort hergestellten Kraftstoffpumpen für Dieselmotoren nicht der künftigen E-Mobilität dienten, bildete sich die Gruppe „Klimaschutz und Klassenkampf“. Sie setzten sich gemeinsam für den Erhalt des Werkes sowie die Umstellung der Produktion auf ökologisch sinnvolle Dinge ein. Diese Selbstermächtigung der Arbeiter*innenschaft könne der erste Schritt hin zu einem ökologischen Sozialismus sein, gab Rackwitz einen Ausblick.

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