Digitaler Kapitalismus

22. August 2022  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Menschen, die durch ihre Suchanfragen freiwillig einen Mehrwert und Digitalkonzernen somit Milliardengewinne erwirtschaften, sind das Fundament des digitalen Kapitalismus. Dies erläuterte der IT-Experte Timo Daum bei einem Vortrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg.

Informationen sind das „neue Gold“

Die großen Wirtschaftszweige der Epochen waren einem ständigen Wandel unterworfen, beschrieb Baum die ökonomischen Ursprünge. Waren im 18. Jahrhundert die meisten Menschen in der Landwirtschaft tätig, änderte sich dies mit der Industrialisierung, als der größte Teil des Bruttoinlandsprodukts in Fabriken gefertigt wurde. Die Ölkrise und „Die Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome, 1975) läuteten das Ende dieser klassisch kapitalistischen Wirtschaftsform ein, seither waren Dienstleistungen der größte Umsatzgenerator. Auch dies ändere sich: Was früher Getreide, Kohle und Stahl oder verschiedene Service-Angebote waren, sind heute Informationen.

Digitalkonzerne erwirtschaften Rekorde

„2006 hatte der US-Mineralölkonzern einen Börsenwert von 446 Milliarden Dollar“, illustrierte der Forscher das einstige produzierende Zeitalter. Nach drei weiteren „analogen“ Unternehmen folgte in der TOP-5-Liste schließlich Microsoft mit einer Dotierung von 293 Milliarden. Im Jahre 2020 habe sich die Situation jedoch grundlegend geändert. Mit Apple (1079 Mrd.), Microsoft (1060 Mrd.), Amazon (911 Mrd.), Alpabet/Google (752 Mrd.) und Alibaba (482 Mrd.) hätten digitale Konzerne Erdölproduzenten oder Banken vollkommen aus den Rängen der Wertschöpfung verdrängt. Deren Erfolgsformel sei der Datenextraktionismus. „Große Mengen an (Roh-)Daten werden geschaffen, zu verwertbaren Informationen umgewandelt und diese an zahlungskräftige Interessenten weiterverkauft“, erläuterte Daum das System.

Wir schaffen Mehrwert

Die ökonomische Logik dieser Strategie stellte er in anschaulicher Weise dar: „Wir alle füllen das Internet mit Daten über uns – jede Sekunde verarbeitet der Google-Algorithmus 63.000 Suchanfragen von uns“. Da der Algorithmus selbst nur von 14 Personen betreut werde, ergäbe sich so für das Unternehmen eine große Gewinnspanne. Durch das Verkaufen der gesammelten Daten an Werbekunden erwirtschafte der Konzern pro Mitarbeitende*n einen Umsatz von 1,253 Millionen Dollar. Bei Facebook läge der Wert sogar bei 1,626 Millionen. Damit sei das Verhältnis profitabler als in der verarbeitenden Industrie.

Alexa und Quick, Draw!

Ein Beispiel für diese freiwillige Selbstausbeutung digitaler und konsumorientierter Menschen sei das Spracherkennungssystem Alexa (Amazon). Durch die Interaktion mit der Software stellten die Kund*innen unzählige kostenlose KI-Trainingsdaten zur Verfügung, um den Algorithmus zu optimieren. Dabei überwache dieser uns und analysiere unser Verhalten, etwa in Form von Kauf-Empfehlungen. Die gewonnenen Daten würden als personalisierte Werbung an Drittanbieter verkauft. Eine vergleichbare Struktur stünde hinter dem Programm „Google Quick draw“. In spielerischer Weise würden tausende Menschen dazu animiert, digitale Objekte zu zeichnen. Diese „Gamification“ ermögliche es dem Unternehmen, an eine riesige Menge an Metadaten zu kommen – also wann und wo eine Person etwas zeichnete, wobei Alter und Geschlecht ebenfalls ableitbar seien. Der Datenextraktivismus führe dazu, dass der Algorithmus schon nach zwei Strichen erkenne, welcher Gegenstand gezeichnet werden solle. Wir geben spielend unsere Daten und den Digitalkonzernen Milliardengewinne preis.

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