Linke Forderungen für die Rente

17. August 2022  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Gegen die Rente mit 67 Jahre, stattdessen eine leichte Anhebung der Beiträge und eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Abgeordnete und Selbstständig einzahlen, lauteten die Forderungen von Matthias Birkwald. Der Rentenexperte referierte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrheinwestfalen zur aktuellen Situation unter der Ampel-Regierung.

Altersarmut und leere Kassen

Dass die Bundesrepublik massive Probleme mit Altersarmut hat, war dem rentenpolitischen Sprecher der Fraktion Die Linke klar. „Die Europäische Union setzt die Armutsgrenze bei 1.173 Euro an – in Deutschland leben drei Millionen Menschen unterhalb dieser Grenze!“, erklärte er. Hierbei sei die staatliche Grundsicherung im Alter unzureichend. „Drei Prozent der Senior*innen erhalten vom Staat 852 Euro und müssen davon Miete, Nebenkosten, Essen und kulturelle Teilhabe bestreiten“, listete Birkwald auf. Das demographische Problem sei, dass die Generation der Babyboomer nun in Rente ginge, es aber weniger einzahlende Beschäftigte gäbe. „Die Rentenkassen werden sich mit dem aktuellen System massiv leeren“, prognostizierte er.

Leidtragende sind die Armen

Die Antworten der amtierenden Bundesregierung beschränkten sich auf dem Festhalten der Rente mit 67 und einer „Aktienrente“, die am Kapitalmarkt angelegt werden solle. Laut dem ifo-Institut könnten so für jede*n Rentner*in 240 Euro investiert werden. Die geringen Erträge, die damit erwirtschaftet würden, rechtfertigten jedoch in keinster Weise das Risiko, die eingesetzten 10 Milliarden Euro zu verspekulieren, warnte der Sozialwissenschaftler. Andererseits sei die Rente mit 67 Augenwischerei, da viele Menschen aufgrund von Krankheit oder dem Fehlen altersgerechter Arbeitsplätze das geforderte Pensum gar nicht erreichten. „15 Prozent der Menschen sterben vor ihrem 65 Lebensjahr“, verdeutlichte er das Missverhältnis. Je ärmer jemand sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit eines frühen Todes, erläuterte Birkwald. Im Durchschnitt lebten Männer aus prekären Verhältnissen 8,6 Jahre weniger als wohlhabende. „Die Anhebung des Renteneintrittsalters trifft vor allem die Armen“, kritisierte er. Auch könne niemand verlangen, dass die Altenpflegerin oder die Erzieherin ihren Beruf bis zum 67. Geburtstag ausübe. 30 Prozent der Rentner*innen seien wegen Nicht-Erreichung der geforderten Grenze von Abschlägen in ihren Bezügen betroffen.

Anhebung der Beiträge notwendig

Dem setze Birkwald Rentenbezüge von 53 Prozent (aktuell: 48) des früheren Einkommens entgegen, wie es im Jahr 2000 Standard war. Notwendig dafür sei, mehr Geld für die Renten auszugeben. Sind es in Schweden 10 Prozent des BIP, in Österreich 11,6 und in Frankreich 12,1, bilde die Bundesrepublik hier mit 9,3 das Schlusslicht, zog er den europäischen Vergleich. Dafür bräuchte es moderat steigende Beitragssätze, eine stabile Steuerfinanzierung sowie eine Politik der guten Löhne, lautete seine Analyse. Hebe man den Satz etwa um 2 Prozent an, ergäbe dies ein „Mehr“ von 27 Milliarden Euro an Beitrags- sowie fünf Milliarden an Steuermitteln, rechnete er vor. Als Resultat komme es so zu einer Rentenerhöhung um fast 10 Prozent.

Erwerbstätigenversicherung als Lösung?

Nötig sei hierbei jedoch eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Abgeordnete, Selbstständige und Beamten einzahlten. Dafür müsse die Beitragsbemessungsgrenze von 7.050 Euro auf rund 14.000 Euro angehoben werden, forderte er. Denn wer aktuell 10.000 Euro im Monat verdiene, zahle nur für die ersten 7.050 Euro Beiträge. Bei Spitzenverdienern wie Bundestagsabgeordnete oder GmbH-Geschäftsführer*innen setzte sich Birkwald für eine Beitragsäquivalenz-Grenze ein. Sie sollten für jeden gezahlten Euro Rentenbeitrag weniger Rente erhalten als schlechter Verdienende. „Die Renten der Reichen steigen trotzdem, aber eben nicht mehr so stark“, fasste er das Ergebnis zusammen. Stattdessen käme das Geld als „Solidar-Rente“ denen zugute, die sich im Leben von Minijob zu anderen geringfügigen Beschäftigungen hangeln mussten.

Österreich und die Arbeitgeber

Lobende Worte fand der Experte für das Modell Österreich. Das Land benötige keine Riester-Rente oder ähnliche Aktien-Experimente, da hier alle Einkommen in die Rentenkasse einzahlten – Arbeitgeber mit 12,55 Prozent, Beschäftigte mit 10,25. „In diesem System ist es total normal, dass der Arbeitgeber 2,5 Prozent mehr zahlt als die Angestellten“, sagte er. Die Ergebnisse seien absehbar: Beträgt die Durchschnittsrente in Deutschland 1.312 Euro, sind es in Österreich 2.444. Auch ergäben sich so höhere Mindest-Renten. Wer in der Alpenrepublik 15 Jahre eingezahlt habe, bekäme 1.167 Euro netto, bei 30 Jahren 1.299 Euro und bei 40 Jahren mindestens 1.563 Euro. Vergleiche man dies mit der deutschen Grundsicherung im Alter von 852 Euro, sei der Unterschied offensichtlich, veranschaulichte Birkwald.

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