Markt und/oder Sozialismus?

17. März 2023  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Flagge der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. In dem Land, das mit der stalinistischen Sowjetunion brach, verfolgte man den sogenannten „Reformkommunismus“.

Alternativmodelle zur sozialistischen Planwirtschaft sowjetischer Prägung stellte Felix Wemheuer in seinem Buch „Marktsozialismus“ vor. Die Veranstaltung wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrheinwestfalen organisiert.

Masse statt Klasse

In vielen osteuropäischen Staaten, aber auch der Volksrepublik China, gab es in Auseinandersetzung mit der sowjetischen Planwirtschaft ökonomische Reformbestrebungen. „Die zentrale Festlegung aller Preise, Löhne und Investitionen führte in den 50er Jahren zu einer wirtschaftlichen Krise“, stellte Wemheuer fest. Einer der Hauptkritikpunkte war, dass die Wirtschaftsziele die Menge, nicht aber die Qualität der Waren priorisierte. „Das hat zur Folge, dass viele minderwertige Produkte hergestellt werden, die man wegen der schlechten Qualität nicht nutzen kann“, verdeutlichte er das Problem.

Reformen zum Marktsozialismus

In Jugoslawien und Polen machte man die von Stalin forcierte Kollektivierung der Landwirtschaft schon in den 50er Jahren wieder rückgängig. In gewissen Teilen sollte eine Privatwirtschaft zugelassen werden. In Ungarn erhielten Unternehmen mehr Entscheidungsfreiheit und konnten so etwa über die Verteilung der erwirtschafteten Gewinne bestimmen. Tschechoslowakische Ökonomen sprachen sich für die Schließung defizitärer Betriebe aus. „Viele dieser Reformversuche wurden nach der gewaltsamen Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 beendet“, erklärte der Professor für Moderne China-Studien.

Kritik am „kapitalistischen Denken“

Sowjetische Wirtschaftswissenschaftler*innen warnten, dass durch Betriebsautonomie und Wettbewerb die Arbeiter*innenschaft gespalten werde und somit an Macht verliere. Auch seien die Tourismus-Einnahmen der kroatischen Urlaubsgebiete ungerecht gegenüber anderen Landesteilen – etwa Serbien oder Montenegro –, da diese nicht über einen vergleichbaren Devisensektor verfügten. „Die Öffnung hin zum westlichen Weltmarkt und seinen modernen Technologien machte Jugoslawien in den Augen dieser Leute zu einem Vasall des internationalen Kapitalismus“, erklärte Wemheuer weitere Kritik.

Reformen setzen sich nicht durch

Die wirtschaftlichen Reformbewegungen scheiterten in allen Ländern. Ein Grund liegt wohl in der kurzen Zeitspanne, in der die neuen Maßnahmen keine umfassende Wirkung entfalten konnten. Andererseits diktierte die Sowjetunion den Staaten des Ostblocks auch ihre außenpolitischen Beziehungen – worunter auch der Außenhandel zählte. Die Arbeiter*innenklasse stand einem ausdifferenzierten Lohnsystem, das beispielsweise mehr Geld für technisches Spezialpersonal vorsah, kritisch gegenüber. Hier war die Vorstellung einer egalitären Gesellschaft noch stark verankert. „Die Reduzierung der hohen Subventionen für Lebensmittel hatte eine starke Teuerung und Inflation zur Folge“, wies Wemheuer auf eine weitere unpopuläre Begleiterscheinung der Reformen hin.

Das Buch

Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) der Sowjetunion, die von 1921 bis 1928 als Reaktion auf das Scheitern des Kriegskommunismus und die großen Bauernaufstände eingeführt wurde. Sie sollte den Austausch zwischen Stadt und Land mittels des Marktes regeln. Die Kollektivierung unter Stalin setzte dieser Politik 1929 ein Ende. Ebenso wird auf die falschen Anreizsysteme der sowjetischen Planwirtschaft eingegangen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das Neue ökonomische System der Planung und Leitung der DDR von 1963 bis 1971. Dieses Wirtschaftsmodell erreichte mit dem von der Sowjetunion unterstützten Sturz Walter Ulbrichts seinen Schlusspunkt. Die Arbeiter*innenselbstverwaltung der jugoslawischen Betriebe unter Josip Tito sind ebenso Thema wie die Reformen in der Volksrepublik China.

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