Militär oder Umwelt?

16. August 2022  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Quelle: SIPRI/Statista

Militär ist ein Klimakiller, dessen Finanzierung besser in Umweltschutz und Soziales umgeleitet werden sollte, ist sich Anne Rieger vom Bundesausschuss Friedensratschlag sicher. Bei einer Veranstaltung der Studierenden gegen Rüstungsforschung Österreich erklärte sie, wie ehemalige Rüstungsfirmen Produkte für den zivilen Markt herstellen könnten.

Milliarden für Zerstörung

Laut dem Friedensforschungsinstitut SIPRI wurden im Jahr 2021 weltweit 2.113 Milliarden Dollar für das Militär ausgegeben. Der Verteidigungshaushalt der USA belief sich auf 801 Milliarden, die Volksrepublik China steckte 293 Milliarden in ihre Armee, Indien antwortete mit 77 Milliarden. Russland finanzierte mit 65,9 Milliarden todbringende Waffensysteme und Deutschland gab 56 Milliarden für seine Streitkräfte aus – das 100 Milliarden-Sondervermögen noch nicht einberechnet. Dass sich diese staatlichen Investitionen lohnen, zeigte Rieger: „Rheinmetall steigerte seinen Umsatz zwischen Januar und September 2020 um 12 Prozent auf 2,45 Milliarden Euro“, erklärte sie. Nach der Ankündigung von Bundeskanzler Scholz, die Bundeswehr mit zusätzlich 100 Milliarden Euro auszustatten, stiegen die Aktien des Unternehmens um 40 Prozent.

Krieg der Umwelt

Die Kehrseite dieser Milliarden-Ausgaben führte die Diplom-Psychologin ebenfalls vor Augen. „25 Prozent aller Umweltschäden werden durch das Militär verursacht“, zitierte sie eine Studie des schwedischen Instituts. So verfüge die US-Airforce mit 4.000 Kampf- und Transportflugzeugen über eine größere Luftflotte als alle US-Fluggesellschaften zusammen. Das führe dazu, dass das US-Militär der größte Einzelverbraucher erdölbasierter Treibstoffe sei. „Das Transportflugzeug Galaxy verbraucht alleine beim Start 3.500 Liter Kerosin“, verdeutlichte sie die Ausmaße. Mit dieser Menge könne ein herkömmlicher PKW 35.000 km zurücklegen. Auch der Verbrauch des von der Bundeswehr genutzten Eurofighters sei enorm. „Pro Minute verbraucht das Mehrzweckkampfflugzeug 70 bis 100 Liter Kerosin“, erklärte Rieger.

Zivile Güter und Rüstungsatlanten

Was man gegen die staatliche Umweltzerstörung und weltweite Aufrüstung tun könne, ist für die Wissenschaftlerin klar. „Die Rüstungsindustrie muss auf nachhaltige und sozial nützliche Produkte umgestellt werden“, forderte sie. Bei dieser Umstellung (Konversion) würde Militärgerät durch zivile Güter ersetzt werden, so dass die Arbeitsplätze erhalten blieben. Ein erster Schritt in diese Richtung sei die Diversifikation von Rüstungsunternehmen. Dies bedeute, sie weiten ihr Angebot auf bisher nicht vorhandene Sortimente aus, um im zivilen Markt Fuß zu fassen. Wo welche Firmen an Militärtechnik beteiligt seien, könne man in einem sogenannten Rüstungsatlas nachlesen. Während diese Auflistungen in Thüringen, Hessen oder Nordrheinwestfalen Standard sind, sucht man im Freistaat Bayern vergeblich nach solch einem landesweiten Katalog.

Britische Pioniere

Als Pionier der Rüstungskonversion gilt die britische Firma Lucas Aerospace, die in den 60er Jahren über 50 Prozent ihrer Erzeugnisse für den Militärsektor produzierte. Aufgrund friedlicherer Zeiten und damit einhergehender Auftragseinbrüche drohte die Schließung einer Tochterfirma. Die Mitarbeitenden sprachen sich in der Initiative „Produkte für das Leben statt Waffen für den Tod“ für eine Umstellung der Produktionsprozesse aus. So könne man mit den vorhandenen Fertigungsmaschinen problemlos medizinische Geräte, Energiespeicher, Wärmepumpen oder Heizsysteme herstellen. Auch Schienen-Busse oder Tiefseeforschungsgeräte seien machbar. Doch das Management des Unternehmens zeigte kein Interesse an einer demokratischen Mitbestimmung der Belegschaft.

Erfolgsmodell Bremen

Dem gegenüber stellte die Wissenschaftlerin den Stadtstaat Bremen, in dem bis zur Wiedervereinigung 16 Prozent des Fertigungsbereichs von der Rüstung gegen den Feind im Osten abhängig waren. Nach 1990 etablierte sich ein Konversionsbeauftragter der Regierung, der zusammen mit Unternehmern und der Belegschaft den zivilen Wandel anstrebte. Ergebnisse dieser Bemühungen waren etwa die automatische Getränkekasten-Rückgabe in Supermärkten oder die maschinelle Mülltrennung, die beide auf automatischer Muster- und Bilderkennungsverfahren früherer Rüstungsfirmen basierten. Die traditionsreiche Marinewerft Blohm + Voss stellte statt Fregatten der Bremen-Klasse für die Bundesmarine nun doppelwandige Tanker her. Ein Airbus-Ableger konstruierte statt Kampfflugzeuge nun Blockheizkraftwerke und die Marinewerft in Emden (Thyssenkrupp) verlegte sich von U-Booten auf Offshore-Windkraftanlagen. Die Maschinenbau Kiel stieg von Kettenfahrzeugen (Panzer) auf Triebwagen für die Regionalbahn um und auch der Navigationshersteller Litef in Freiburg baute seine Geräte für die zivile Luftfahrt anstatt für die Luftwaffe.

Tod oder Zukunft?

„In Deutschland sind ein Prozent der Beschäftigten im Rüstungssektor tätig“, erläuterte Rieger. Dabei handele es sich um hochqualifiziertes Fachpersonal, das auf dem zivilen Markt händeringend gesucht werde. Aber nicht nur bei dem Personal sei eine Umstellung leicht möglich. Betrachte man die Klimakrise, die zur Gefahr für die gesamte Menschheit werde, die Überalterung der deutschen Gesellschaft oder die katastrophale Lage in Schulen und Kitas, seien 56 Milliarden (ohne das Sondervermögen) in Umweltschutz, Gesundheit und Bildung wohl besser angelegt als in den Kauf von militärischem Kriegsgerät, empfahl sie.

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