Rätedemokratie mit Entwicklungsbeiräten?

25. Januar 2024  Europa
Geschrieben von Kreisverband

Alle Macht den Räten? Mitglieder der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Confederación General del Trabajo (CGT) bei einer Demonstration, 18.10.2019 (Òmnium Cultural, CC BY-SA 2.0)

Das Für und Wider kommunaler Entwicklungsbeiräte war Thema bei einer Diskussion mit Gesine Schwan und Sabine Nuss. Das Podiumsgespräch fand im Rahmen der Veranstaltung „Europa den Räten“ statt, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert wurde.

Kooperation statt Konkurrenz

„Wir müssen das kapitalistische System überwinden“, forderte Sabine Nuss, einstige Geschäftsführerin des Karl Dietz Verlags Berlin. Ob dies durch Räte mögliche sei, könne sie jedoch nicht sagen. Grundsatz der kapitalistischen Vergesellschaftung sei die Tatsache, dass sich Individuen sowie Staaten zueinander in Konkurrenz bewegten. Es brauche eine neue Form der Vergesellschaftung, deren Ziel nicht das Wirtschaftswachstum, sondern die gemeinschaftliche Verwendung von Natur und Ressourcen sei. „Können Räte diese Kooperation erreichen und die Wachstumsstrategie durchbrechen?“, fragte Nuss.

Vergesellschaftung umsetzen

Sie machte sich für Artikel 15 des Grundgesetzes stark, der die Sozialisierung von Boden und Produktionsmitteln ermögliche. Er sei seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 jedoch nie genutzt worden. „Das größte Ziel der europäischen Verfassung ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit gegen andere Global Player“, nannte sie einen möglichen Grund. Doch es gibt auch Lichtblicke. Als sie gekündigt wurden, besetzten Arbeiter*innen des Autozulieferers GKN Automotive bei Florenz kurzerhand die Fabrik und überlegten, statt Fahrzeugachsen doch lieber Solarzellen und Lastenräder herzustellen. „Um profitabel zu sein, werden sie aber auch die Löhne kürzen müssen“, sprach Nuss die Nachteile der kapitalistischen Umgebung an.

Räte beraten

Die SPD-Politikerin Gesine Schwan hatte jedoch andere Vorstellungen. „Ich bin für Beiräte auf kommunaler Ebene, die beraten, aber keine Entscheidungen treffen“, sagte sie. Denn entscheidend seien immer noch die gewählten Parlamentarier*innen. In den Beiräten sollten jedoch Politiker*innen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenkommen, um die langfristige Entwicklung der Kommune zu besprechen. „Es geht um Schulen, Sport, Kultur, Infrastruktur“, nannte Schwan einige Schlagworte. Das Ergebnis sollte später in den gewählten Gremien berücksichtigt werden.

Verantwortungsvoller Kapitalismus?

Eines der fünf Pilotprojekte fand in Herne/Nordrheinwestfalen statt. Eine Gruppe die etwa 35 Personen aus den drei Bereichen umfasste, diskutierte die Umnutzung eines ehemaligen Kohleabbaugebiets. Die Empfehlung an den Stadtrat lautete, man solle dort nun Lebensqualität und Natur verbinden, gleichzeitig die Forschung an KI und Digitalisierung vorantreiben sowie diese Entwicklung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gestalten. „Durch solche Prozesse wird die kapitalistische Marktwirtschaft in Verantwortung gezogen“, war sich Schwan sicher. Darüber hinaus führten die Diskussionen zu einem stärkeren Rückhalt bei den Verantwortlichen und somit einer schnelleren Umsetzung der Beschlüsse, erläuterte sie.

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