Hitler: „Machtergreifung“ oder Machtübertragung?

13. Februar 2023  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Nationalsozialisten veranstalten am Abend der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler einen Fackelzug durch Berlin. (Bundesarchiv, Bild 102-02985A CC BY-SA 3.0 de)

Nicht eine gewaltsame Machtergreifung, sondern das Aushöhlen demokratischer Prozesse und der Wunsch konservativer Eliten hin zu einem autoritären Staat machten Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. Ulrich Schneider führte dies in einem Vortrag der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) aus.

Parteien ohne Zusammenarbeit

Dass die Weimarer Republik nicht an der fehlenden Fünf-Prozent-Hürde und der dadurch zersplitterten Parteienlandschaft zugrunde ging, machte der Historiker schnell klar. „Im Reichstag gab es grob gesagt drei Blöcke, die über lange Zeit weitgehend stabil blieben“, erklärte Schneider. Die Arbeiter*innenparteien umfassten SPD und KPD. Der „rechte“ Block bestand aus Deutschnationaler Volkspartei, Deutscher Volkspartei und NSDAP. Das katholische Klientel wählte hingegen das Zentrum oder die Bayerische Volkspartei. „Diese drei Strömungen waren zu keiner Koalition fähig“, fasste er deren gegensätzlichen politische Ziele zusammen.

Aushebelung der Demokratie

Einen „Geburtsfehler“ sah er hingegen in der nicht durchgeführten Entmachtung konservativ-monarchistischer Eliten nach 1918. Die parlamentarische Demokratie übernahm viele der alten Funktionsträger in neue Machtpositionen. Die Zerstörung des demokratischen Systems erfolgte laut Schneider im Zuge der Wirtschaftskrise mit dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning. Der damalige Reichskanzler verfolgte seinen rigiden Sparkurs und Abbau von Sozialleistungen ab 1930 mit Hilfe eines Präsidialkabinetts. Dabei löste Reichspräsident Paul von Hindenburg den Reichstag auf und regierte bis zu dessen Neuwahl mit Notstandsverordnungen ohne Beteiligung der Parteien.

Adel, Militär, Hitler

Nachdem Franz von Papen im Juni 1932 mit seinem „Kabinett der Barone“ die alten Eliten des Kaiserreichs wieder in höchste Positionen gebracht hatte, versuchte sein Nachfolger, General Kurt von Schleicher, ein Bündnis aus Militär, Industrie, Gewerkschaften, NSDAP-Linken und SPD-Rechten zu knüpfen, dessen Ziel ein autoritär geführter Staat war. „Als die NSDAP bei der Wahl im November 1932 eine Million Stimmen verliert, da die Wähler*innen die konservativen Parteien bevorzugen, fassen Industrie, Bankiers und Großagrarier einen Entschluss“, erläutert Schneider. In einer Eingabe bitten sie Hindenburg, den Führer der stärksten Partei zum Reichskanzler zu ernennen.

Der Führer und das Kapital

Die Nähe zwischen Hitler und dem Kapital war jedoch schon vorher gegeben. Im Juni 1926 hielt er einen Vortrag im Hamburger Nationalklub, der die Führungsschicht der Hansestadt, bestehend aus Kaufleuten, Handelsvertretern und Bürgertum umfasste. Im Februar 1932 hielt Hitler eine Rede vor dem Düsseldorfer Industrie-Club, der aus Mitgliedern der Schwerindustrie und des rheinischen Kapitals bestand. Am 4. Januar 1933 kam es zu einem Treffen zwischen Hitler, dem geschassten Reichskanzler v. Papen sowie dem Bankier Kurt Freiherr von Schröder. Letzterer war Mitglied des sog. „Keppler-Kreises“ und galt als Vertreter des rheinischen Kapitals.

Hindenburgs Korruptionsskandal

Hier wurde eine erneute Einflussnahme auf Hindenburg beschlossen, der nach der Aufdeckung des Osthilfe-Skandals seine Ablehnung gegenüber Hitler geändert hatte. Im Zuge von staatlicher Fördergelder für ostelbische Großgrundbesitzer war das Gut Neudeck, das auf den Sohn Paul von Hindenburg überschrieben worden war, in den Verdacht des Subventionsbetrugs geraten. Ein von der SPD angestrengter Untersuchungsausschuss wäre im Januar das erste Mal zusammengetreten. „Hitler versprach, den Reichstag unverzüglich aufzulösen, was eine parlamentarische Untersuchung gegen Hindenburg unmöglich machte“, erklärte Schneider. Am 30. Januar ernannte Hindenburg Hitler zum Reichskanzler.

Terror und Konzentrationslager

Mit seinem Amtsantritt traten auch von den Vorgängerregierungen ausgearbeitete Maßnahmen in Kraft. Zeitungen und Versammlungen wurden verboten, „Gegnerlisten“ durchforstet, die zur Verhaftung zahlreicher Gewerkschafter*innen, Sozialdemokrat*innen und und Kommunist*innen führten. Nach dem Reichstagsbrand (27. Februar) kam es zu Massenverhaftungen, „Stahlhelm“, SA und SS wurden zur „Hilfspolizei“ ernannt und der Terror somit staatlich legitimiert. Neben „wilden KZs“ kam es mit Dachau, Oranienburg und Osthofen auch zur Errichtung der ersten offiziell geplanten Konzentrationslager.

Armee, Wirtschaft und Kirche

„Die Reichstagswahlen vom 5. März fanden somit nicht mehr unter freien Bedingungen statt“, zog Schneider Bilanz. Dies sehe man auch darin, dass drei Tage nach der Wahl sämtliche Mandate der drittstärksten Partei im Reichstag – der KPD – für ungültig erklärt wurden. Am 3 . Februar hatte Hitler sich mit der Führung der Reichswehr getroffen. Diese strebte schon seit 1926 eine Annullierung der militärischen Vorgaben des Versailler Vertrags an. Am 10. April stellte der Mitteleuropäische Wirtschaftstag wirtschafts- und außenpolitische Forderungen, wie das künftige Regierungshandeln aussehen sollte. Und der evangelische Generalsuperintendent Otto Dibelius lobte am „Tag von Potsdam“ (21. März) die Verhaftung von Regimegegnern und die Aufhebung bürgerlicher Rechte.

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