Lesbische Frauen im Konzentrationslager Ravensbrück

11. Februar 2023  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Gedenkkugel für die inhaftierten, verfolgten und auch ermordeten lesbischen Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück (Zartesbitter CC BY-SA 4.0)

Lesbische Frauen erfuhren im Nationalsozialismus eine intersektionale Verfolgungsgeschichte. Doch auch innerhalb der Lager – speziell des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück – schlug den aufgrund ihrer sexuellen Orientierung inhaftierten Frauen seitens den Mitgefangenen Ablehnung entgegen. Dies erläuterte die frühere Leiterin der Gedenkstätte Insa Eschebach bei einem Vortrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

„Gefahr“ für Bevölkerungspolitik

„Der Nationalsozialismus reduzierte Frauen nur auf ihre Gebärfähigkeit“, stellte die Religionswissenschaftlerin klar. Während mit Paragraf 175 die männliche Homosexualität unter Strafe stand, war es gemäß der Reichszentrale zur Bekämpfung von Homosexualität und der Abtreibung bei Frauen die Entscheidung über den eigenen Körper. Denn nicht gebärwillige Frauen gefährdeten die Bevölkerungspolitik der auserkorenen Herrenrasse. Dies führte dazu, dass prinzipiell Frauen, die nicht der NS-Norm von Frausein entsprachen, ins Fadenkreuz der Sicherheitsorgane kamen.

In Auschwitz ermordet

Die Liste möglicher Vergehen ist lang: Asozialität, Umgang mit Fremdvölkischen, Rassenschande, staatsabträgliches Verhalten, Wehrkraftzersetzung, Kuppelei oder Verbrechen wider der Sittlichkeit, oder die Einstufung als Volksschädling waren nur einige Gründe, wegen denen man als Frau nach Ravensbrück gebracht werden konnte. „Viele lesbische Frauen wurden als Prostituierte geführt“, gab Eschebach Einblick in die Akten. Etwa Anna Eismann, die wegen Diebstahl und Verstoß gegen Meldeauflagen für Prostituierte als „Asoziale“ verhaftet wurde. Vom Frauenkonzentrationslager wurde sie nach Auschwitz überstellt, wo sie 1942 ermordet wurde.

Tötungsanstalt Bernburg

Der Hamburgerin Mary Pünjer wurde ihre jüdische Herkunft und lesbische Lebensweise zum Verhängnis. „Verheiratete Volljüdin. Sehr aktive („kesse“) Lesbierin. Suchte fortgesetzt ‚lesbische Lokale’ auf u. tauschte im Lokal Zärtlichkeiten aus“, notierte der KZ-Arzt Friedrich Mennecke in seinen Unterlagen. Daraufhin wurde die 38-Jährige in die Tötungsanstalt Bernburg überwiesen, wo man sie mit Giftgas ermordete.

Eine „abstoßende Erscheinung“

Eschebach arbeitete heraus, dass die Abgrenzung von weiblichen Häftlingen gegenüber lesbischen Frauen dazu diente, sich und die eigene Haftgruppe aufzuwerten und sich somit als moralisch höherwertig zu sehen. So notierte die spätere katholische Ordensschwester Isa Vermehren über ihre Zeit in Ravensbrück: „Der Strafblock war die Brutstätte der lesbischen Liebe mit allen abstoßenden Erscheinungen.“ Und eine polnische Insassin vermerkte in ihren Erinnerungen: „Die lesbische Liebe verbreitete sich wie eine Epidemie, es war wie eine Seuche, wie ein Brand.“ Eine deportierte Niederländerin bezeichnete schließlich alle deutschen Frauen – als Sinnbild moralischer Verworfenheit – als lesbisch.

Täterin und Opfer

Die Tragik lesbischer Häftlinge zeichnete die Wissenschaftlerin an der Kommunistin Klara Pförtsch, genannt „Leo“, nach. Die Textilarbeiterin war mit 18 Jahren der KPD beigetreten und hatte sich in München an Straßenschlachten zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten beteiligt. 1940 vor dem Volksgerichtshof verurteilt, wurde sie nach Ravensbrück und Auschwitz überstellt, wo sie die Position der Lagerältesten einnahm. Häftlinge charakterisierten sie als „schlagende Lagerpolizistin“. In München-Allach, einem Außenlager von Dachau, wurde Pförtsch 1945 von der US-Armee befreit und von einem französischen Militärgericht wegen „extremer Grausamkeit“ zum Tode verurteilt.

Haft statt Strang

Sozialdemokratische Häftlinge wie Kurt Schumacher oder die Österreicherin Rosa Jochmann setzten sich für Pförtsch ein. „Es ist auch wahr, dass sie [in Ravensbrück] vielen Leuten geholfen hat“, gab die einstige Blockälteste zu Protokoll. Das Todesurteil wurde daraufhin in lebenslange Haft umgewandelt. Nach sieben Jahren wurde sie aus dem Gefängnis entlassen und lebte bis zu ihrem Tod von Sozialhilfe.

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