Rosalux History: Die Pariser Kommune

06. Mai 2022  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Straße der Pariser Kommune, Berlin (Foto: Hienafant, CC BY-SA 4.0)

Die großen Hoffnungen in die erste Arbeiter*innen-Republik der Menschheitsgeschichte sowie deren blutiger Untergang waren Thema in der Rosalux History-Folge „150 Jahre Pariser Kommune“. Schwerpunkte waren die historischen Ursachen, der Verlauf der revolutionären Erhebung und die Auswirkungen für die Kunst der Gegenwart.

Revolution von 1789 und 1848

Mitverantwortlich für die 72 Tage der Pariser Kommune (18. März – 28. Mai 1871) war ein stark republikanisch und jakobinisch geprägtes Bürgertum als Erbe der Französischen Revolution wie auch die blutige Niederschlagung der Arbeiter*innenbewegung 1848. Als vier Monate nach der erfolgreichen Februarrevolution die Nationalwerkstätten geschlossen wurden, die Erwerbslosen eine Anstellung ermöglichten, kam es zum Aufstand. Dieser wurde vom französischen Militär gewaltsam niedergeschlagen und am Ende des Jahres etablierte Louis-Napoléon Bonaparte (ab 1852: Kaiser Napoleon III.) ein autoritäres Regime.

1870/71: Dritte Republik

Nach den Siegen Preußens im Deutsch-Dänischen Krieg (1864) und im Deutsch-Österreichischen Krieg (1866) nahmen die Spannungen zwischen den beiden Großmächten immer mehr zu. 1870 kam es schließlich zum Deutsch-Französischen Krieg, der zur Niederlage der französischen Armee bei Sedan und der Gefangennahme Napoleons III. führte. In Paris wurde die Dritte Republik ausgerufen, die Stadt selbst von deutschen Truppen eingekesselt. Die neue Regierung unter Staatspräsident Adolphe Thiers, einem Liberalen, handelte einen Waffenstillstand mit den Deutschen aus, der Vertrag wurde im März 1871 von der Nationalversammlung bestätigt.

Regierung vs. Nationalgarde

Thiers hatte sich zuvor für die Mobilisierung der Pariser Nationalgarde eingesetzt, um die Stadt verteidigen zu können. Dafür wurden eine Vielzahl von Arbeitslosen eingezogen und bewaffnet. Diese „Proletarisierung“ der Garde führte jedoch schnell dazu, dass die rasch angewachsene Volksmiliz begann, ihre Offiziere selbst zu wählen sowie mit dem Zentralkomitee der Nationalgarde ein eigenes politisches Gremium etablierte. Um diesen militärisch-politischen Machtfaktor auszuschalten, verfügte Thiers, die Kanonen der Nationalgarde zu beschlagnahmen. Die ausgesandten Regierungstruppen verweigerten jedoch den Befehl und liefen zu den Nationalgardisten über. Die Regierung Thiers sowie ein Großteil des wohlhabenden Bürgertums flohen daraufhin aus Paris ins Schloss Versailles.

Französischer Bürgerkrieg

Nach der Flucht der Regierung lag es nun an den Arbeiter*innen selbst, die Verteidigung Paris‘ sowie das Leben in der Stadt zu organisieren. Am 26. März erfolgten die Wahl zum Rat der Kommune (allg. Männerwahlrecht), in dem Jakobiner, Sozialisten, Anarchisten und bürgerliche Opposition vertreten waren. Der deutsche Reichskanzler Bismarck veranlasste daraufhin die Freilassung französischer Kriegsgefangener, damit diese aufseiten der Zentralregierung den demokratischen Aufstand niederschlagen konnten. Die ersten Angriffe begannen am 2. April und dauerten bis zum 21. Mai an, als die Regierungstruppen die Stadt eroberten.

Reformen der Kommune

Der Rat stundete Mietzahlungen, deckelte den Brotpreis und führte die kostenlose Schulbildung ein. Leerstehende Wohnungen wurden an Bedürftige verteilt und Betriebe konnten in Form von Genossenschaften von den Arbeiter*innen übernommen werden. Amtsträger durften jederzeit abgewählt werden und die Gehälter der Beamten wurden auf die Hälfte eines Arbeiterlohns festgelegt. Die Nachtarbeit für Bäckergesellen wurde verboten, damit diese, statt arbeiten zu müssen, Lesen und Schreiben lernen konnten.

Hauptstadt und Provinz

Die Pariser Kommune schaffte es nicht, einen Machtwechsel im Rest des Landes herbeizuführen. Zwar kam es in mehreren Städten wie Marseille und Lyon zu Aufständen, in denen Polizeigebäude und Gerichte angegriffen, Banken und Luxusgeschäfte gestürmt und Räte oder Komitees gewählt wurden. Jedoch erreichten die Revolutionäre, die sich meist aus Handwerkern, Arbeitslosen oder desertierten Soldaten zusammensetzten, nicht, koordinierte Aktionen gegen die Armee der französischen Zentralregierung und die deutschen Truppen zu führen. So wurden die sozialistischen Kommune-Bewegungen Stadt für Stadt einzeln niedergeschlagen.

Straßenkampf und Exekutionen

Als die Truppen der Zentralregierung am 21. Mai begannen, die Hauptstadt zu stürmen, errichteten die Verteidiger*innen bis zu 900 Barrikaden. Es kam zu blutigen Straßenkämpfen, in denen Viertel um Viertel von der republikanischen Armee zurückerobert wurde. Hatten Pariser Frauen während der Belagerung in Kooperativen und Volksküchen für die Verteilung von Lebensmitteln gesorgt, kämpften Frauen wie Louise Michel auch auf den Barrikaden. Die bürgerliche Presse polemisierte gegen „unweibliche“ Pétroleusen, die mit gezielten Brandanschlägen den Vormarsch der Regierungstruppen zu stoppen versuchten. In den letzten sieben Tagen wurden tausende Kommunard*innen von Erschießungskommandos exekutiert, die Überlebenden in Strafkolonien deportiert.

Die Kommune in der Gegenwart

Für Karl Marx war der Aufstand unter dem Motto „Krieg den Palästen, Frieden den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggang“ der Vorbote einer neuen Gesellschaft. Die Sozialdemokraten August Bebel und Wilhelm Liebknecht büßten ihre Solidaritätsbekundung für die Kommune im Reichstag mit zweijährigen Haftstrafen. Literaten wie Viktor Hugo und Émile Zola wurden durch diese 72 Tage stark geprägt, Ernest Hemingway und Umberto Eco verarbeiteten die Kommunarden-Zeit in ihren eigenen Werken. Obwohl die Überlebenden der Kommune 1880 begnadigt wurden, dauerte es 145 Jahre, bis sie durch das französische Parlament 2016 offiziell rehabilitiert wurden.

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