Bildung und Klasse

19. Mai 2022  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Nicole Gohlke am Aktionstag „Studiengebühren abschaffen!“ in München, 26.1.2013 (Foto: Jakob Huber CC BY 2.0)

Bildungsgerechtigkeit für alle, und Nicht-Privilegierte unserer Gesellschaft vermehrt in den Blickpunkt zu nehmen, und dies auch im schulischen Lehrplan zu berücksichtigen, fordert der Bildungspodcast „Bildung in Rosa“. Im Format der Rosa-Luxemburg-Stiftung sprachen Nicole Gohlke (Die Linke) und Sozialwissenschaftlerin Francis Seeck über linke Bildungsperspektiven.

Schule bedeutet Ungleichheit

Gohlke, Bildungs- und Wissenschaftspolitische Sprecherin der Linken, sah Bildung als ein Menschenrecht, das es jedem Kind ermöglichen sollte, seine individuelle Rolle in einer demokratischen Gesellschaft zu finden. Doch dieses Versprechen von Emanzipation und Gleichheit, dass jedem Menschen die gleichen Möglichkeiten offenstünden, entpuppe sich als Trugbild. „In unserer Klassengesellschaft haben Menschen nicht dieselben Startbedingungen“, kritisierte sie. Das dreigliedrige Schulsystem reproduziere diese Ungleichheit vielmehr, mahnte Gohlke.

Bildung für den Arbeitsmarkt

In einer kapitalistischen Gesellschaft sei Bildung einerseits auf den Arbeitsmarkt hin ausgerichtet, andererseits werde an Gymnasien und Universitäten weiterhin an einem veralteten Bildungsbegriff festgehalten. Eine Neuausrichtung sei mit dem Kompetenzbegriff (Lehrplan PLUS, Bayern) festzustellen, allerdings werde auch hier der Nutzen der Absolvent*innen für die späteren Arbeitgeber*innen betont. Dem Bildungsprogramm der Ampel-Regierung attestierte sie eine ideologische Nähe zum „progressiven Neoliberalismus“ der Clinton-Ära (1993-2001) in den USA. Dabei würde der Ausschluss armer Menschen vorangetrieben, ohne die Exklusionsmechanismen zu thematisieren.

Klassengesellschaft erkennen

Oft übernähmen die Ausgegrenzten die negativen Zuschreibungen der höheren Bildungsklasse. Die Ungleichheit werde somit individualisiert, ohne die Ausgrenzung als strukturelles Problem zu benennen. Um die im dreigliedrigen Schulsystem stattfindende hierarchische Selektion aufzubrechen, sei es notwendig, Erzählungen von den Nicht-Privilegierten unserer Gesellschaft in den Fokus zu rücken. „Wir müssen den strukturellen Herrschaftsmechanismus der Klassengesellschaft offenlegen“, forderte Gohlke

Klassismus als Diskriminierung

Die Wissenschaftlerin Seeck sah in dem stattfindenden Klassismus eine Benachteiligung aufgrund der Klassenzugehörigkeit. So gingen Schüler*innen aus wohlhabenden akademischen Familien deutlich häufiger auf Gymnasien oder in Universitäten als Arbeiter*innenkinder, verdeutlichte sie die Abhängigkeit vom Sozialstatus der Eltern. „Lehrkräfte zweifeln an der Gymnasialfähigkeit von Kindern aus Hartz-IV-Familien“, stellte sie ein Beispiel der Benachteiligung dar.

Hochkultur als Machtmittel

Darüber hinaus könne die sog. „Hochkultur“ durch einen festgelegten Bildungskanon als Machtmittel benutzt werden, erläuterte Seeck. „Bei Goehte und Schiller werden fast nur die Lebensentwürfe der reichen Oberschicht verhandelt“, stellte sie mit Blick auf Schullektüren (Die Leiden des jungen Werther, Maria Stuart) fest. Mit diesem „Kulturellen Kapital“ stellte die bildungsbürgerliche Elite ihren eigenen Status zur Schau, während an Mittel- oder Fachhochschulen die praktischen Anforderungen für die Berufswelt erlernt werden sollten, beschrieb sie das geteilte Schulsystem.

Demokratisches Lernen

Ein Gegenentwurf stellte die Gesamtschule sowie das Aufheben der Trennung zwischen Fachhochschule und Universität dar. Stattdessen solle auf selbstorganisiertes Lernen an Freien bzw. Demokratischen Schulen gesetzt werden, empfahl die Sozialwissenschaftlerin. Als Verbesserung im bestehenden System sei die Auseinandersetzung mit der Erwerbslosenbewegung im Unterricht sowie Projektarbeiten mit wohnungslosen Menschen ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

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