Das neue Gesicht des Kapitalismus

09. Februar 2024  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Joachim Hirsch (Grafik: www.zersetzer.com, CC BY-NC-SA)

Eine starke Zivilgesellschaft, die den Interessen des Kapitals Einhalt gebietet, ist Thema des Buches „Das neue Gesicht des Kapitalismus. Vom Fordismus zum Post-Fordismus“. Dieses wurde in der 34. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung vorgestellt.

Gewerkschaften und Politik

Der 1938 geborene Joachim Hirsch studierte Wirtschaft und Politikwissenschaft in Frankfurt, promovierte 1965 mit einer Arbeit über Gewerkschaften, bis er schließlich Professor für Politikwissenschaft wurde. 1995 veröffentlichte er das Buch „Der nationale Wettbewerbsstaat“. Roland Roth wurde 1949 geboren und promovierte über den Philosophen Herbert Marcuse. Der Magdeburger Professor für Politikwissenschaften war auch Mitbegründer des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung. Gemeinsam veröffentlichten sie 1986 „Das neue Gesicht des Kapitalismus. Vom Fordismus zum Post-Fordismus“.

Das Fließband isoliert

Darin beschreiben sie, wie sich der Fordismus nach dem Zweiten Weltkrieg als maßgebliche Art der Kapitalakkumulation durchsetzt. Henry Ford hatte Arbeitsprozesse analysiert und sie in kleine effiziente Schritte zerlegt, um so eine Massenproduktion zu ermöglichen. Beispielhaft für diese Tätigkeiten, die auch von ungelernten Arbeiter*innen ausgeführt werden können, steht die Fließbandszene in Charlie Chaplins „Modern Times“ (1936). Die Lohnabhängigen werden durch diese monotone Arbeitsmethode voneinander isoliert, die Gewerkschaftsbindung deutlich geschwächt.

Freizeit für Konsum

Der Lohn wird für Radios, Küchengeräte und Spülmaschinen ausgegeben, der Fernseher in der eigenen Wohnung ersetzt das gesellige Vereinsleben. In der persönlichen Freizeit steht das Konsumieren von Produkten im Fokus. Diese Binnennachfrage führt ebenso wie die Weltmarktorientierung der deutschen Industrie zu einem ständigen Wachstum.

Outsourcing und Arbeitslosigkeit

In den 70er Jahren ist die Nachfrage an Konsumgütern jedoch gedeckt, die Profite der Unternehmen sinken. Im Zuge dessen kommt es zur Auslagerung großer Bereiche – etwa der Textilindustrie – in Billiglohnländer. Die Folgen in der Bundesrepublik jedoch sind eine hohe Arbeitslosigkeit und damit einhergehend hohe Sozialausgaben des Staates, der sich dadurch stark verschuldet. Die Reaktion darauf lautet: neoliberale Privatisierung.

Gegen Konsum und Patriarchat

In der Arbeiter*innenbewegung sind die Milieus mittlerweile jedoch stark erodiert. Gewerkschaften und Sozialdemokratie rufen nicht zum Widerstand gegen die Sparmaßnahmen auf, sondern appellieren an die Disziplin der Arbeitenden. Demgegenüber sehen Hirsch und Roth die Umwelt- und Frauenbewegung. Hier kann Widerstand gegen den Kapitalismus geleistet werden, da ihnen das patriarchale und konsumierende Familienbild nicht viel gilt.

Als es in den 80er Jahren auch zum strukturellen Zerfall der deutschen Kapitalfraktionen sowie deren Hegemonie auf dem Weltmarkt kommt, stellt sich die Frage: Können die demokratischen Kräfte eine neue Form der Produktion entwickeln?

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