Feministische Vergesellschaftung von Sorge

08. April 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Die spanische Kommunalpolitikerin Laura Pérez, 2015 (Barcelona En ComúActe de gènere a Horta/Carmel, CC BY-SA 2.0)

Die Vergesellschaftung der Sorgearbeit, um so den Menschen, nicht mehr die Wirtschaft, in den Mittelpunkt zu stellen, war Thema bei der Podiumsdiskussion „Was sind Sorgende Städte?“. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Konferenz „Sorgende Städte Kommunale Strategien für feministisches Vergesellschaften“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Bremen statt.

Wer hilft den Helfenden?

„Wir müssen uns fragen: Wer leistet Sorgearbeit und wer kümmert sich um das sorgende Personal?‘“, erkärte Laura Pérez, Barcelonas Stadträtin für Feminismus. Was für eine Lebensqualität bliebe migrantischen, schlecht bezahlten Frauen, die in der Intensivpflege arbeiteten, neben ihrem Beruf? Um deren Situation zu ändern, brauche es ein neues sozial-ökologisches Wirtschaften, das den Menschen, nicht das Geld, in den Fokus rücke.

Feministische Kommunalpolitik

Ziel einer feministischen Kommunalpolitik, wie sie etwa in Barcelona verfolgt werde, sei die Vergesellschaftung der Sorgearbeit. „Die unverhältnismäßige Sorgeverantwortung von Frauen in den Familien muss überwunden werden“, forderte Pérez. Dazu müsse die Verantwortung von Stadtverwaltung, dem Gemeinwesen, der Privatwirtschaft und den Männern übernommen werden. Durch bezahlbaren Wohnraum könne darüber hinaus auch ein großer finanzieller Druck von den Frauen genommen werden.

Andere Stadt ist nötig

Mobilitätskonzepte und Stadtplanung gehörten ebenfalls zur neuen Politik dazu. Statt dem autozentrierten Individualverkehr zur Arbeit müsse der öffentliche Nahverkehr gestärkt werden. „Ein großflächiges Busangebot erleichtert das Einkaufen im Supermarkt oder die Begleitung von Pflegebedürftigen ins Krankenhaus“, erläuterte sie. Breitere Gehwege, genügend Sitzmöglichkeiten in Parks und ausreichend Spielplätze seien gleichermaßen wichtig für die lebenswerte, sorgende Stadt.

Vergesellschaftung der Sorgearbeit

„Feminismus ist nicht nur ein Mittelstandsprojekt, sondern eine sozialistische Transformationstrategie, beschrieb Barbara Fried von der RLS Berlin das spanische Engagement. Einerseits würden mit den Projekten konkrete Alltagssituationen – etwa die Lage der migrantischen Pfleger*innen – verbessert. Andererseits bereite man so den Weg für größere Veränderungen – der Vergesellschaftung der Sorgearbeit – vor. Nötig sei dazu eine „doppelte Entprivatisierung“: Die Sorgearbeit müsse dem freien Markt entrissen, aber auch nicht mehr unentgeltlich in den Familien geleistet werden, erklärte sie.

Öffentliche Investitionen nötig

Für Deutschland zog sie aus den Erfahrungen in Barcelona folgende Schlüsse. „Es braucht den massiven Ausbau öffentlicher Infrastruktur – etwa bei Kitas, der ambulanten Pflege, Jugendhilfe oder Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen“, sagte Fried. Auch müssten sich Löhne und Arbeitsbedingungen deutlich verbessern, damit soziale Berufe wieder attraktiv für junge Menschen würden. Erst wenn diese Rahmenbedingungen geschaffen seien, könnte die Care-Arbeit aus den Familien herausgenommen werden.

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