Sorgearbeit: Hilfe in selbstorganisierten Netzwerken

12. März 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Sorgende Städte. Vergesellschaftet die Care-Arbeit! (Quelle: RLS)

Beispiele gelungener Selbstorganisation, aber auch das Problem neoliberaler Kostenminimierung auf dem Rücken von Ehrenamtlichen war Thema bei der Diskussion zu Sorgearbeit. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Konferenz „Sorgende Städte Kommunale Strategien für feministisches Vergesellschaften“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen statt.

Eine solidarische Gesellschaft

Sorgearbeit in der Schweiz sei entweder größtenteils unbezahlt oder werde zu niedrigen Löhnen meist von migrantischen Frauen geleistet, erklärt Sarah Schilliger von der Universität Bern. Dem gegenüber stellte sie Care-Arbeit als eine kollektive Praxis dar, die das Fundament einer solidarischen Gesellschaft bilde. „Was ermöglicht ein materielles, soziales und räumlich gutes Leben in der Stadt?“, warf sie eine zentrale Frage des zukünftigen Miteinanders auf. Denn Care-Arbeit erfolge schließlich überall, wo Menschen zusammenkämen – im Park und auf dem Spielplatz ebenso wie im Krankenhaus, der Küche oder dem Wohnzimmer.

Autonome Schule und City-Card

Ein Beispiel solcher Arbeit sah sie in der medizinischen Hilfe für Menschen ohne gültige Aufenthaltserlaubnisse. Da der Staat nichts tue, griffen Bürger*innen ein und ermöglichten so Gesundheit und soziale Teilhabe. Als ein weiteres erfolgreiches Projekt stellte sie die Autonome Schule Zürich vor. Diese war aus einer Kirchenbesetzung hervorgegangen, mit der Geflüchtete um ihr Bleiberecht kämpften. Im Zuge der Besetzung entstanden ehrenamtliche Deutschkurse, die schließlich in kommunalen Räumen stattfanden. Eine weitere Errungenschaft sei die City-Card als eine Art „Stadt-Bürger*innenschaft“. „Der Ausweis für alle vor Ort lebenden Menschen ermöglicht ihnen kostenlosen Zugang zu allen sozialen Dienstleistungen der Kommune“, erklärte Schilliger.

Care-Communities und Rekommunalisierung

Mike Laufenberg von der Universität Jena zufolge sei die Familie meist der Ort unbezahlter weiblicher Care-Arbeit. Dem gegenüber stellte er die Care-Communities, in denen sich Menschen unabhängig familiärer Verbindungen gegenseitig im Alltag unterstützten. Notwendig sei dies, weil weder Lohnarbeit noch Familie Garant für eine adäquate Pflege im Alter wären. Dazu brauche es jedoch Veränderungen auf mehreren Ebenen. „Rekommunalisierung von Hilfsangeboten“ und „Kündigungsschutz bei Krankheit und Verdienstausfall“ nannte er einige Forderungen, die immer noch aktuell seien.

Freiwillige sind keine Lückenfüller

Die Soziologin Tine Haubner wies auf die Bedeutung hin, das ehrenamtliches Engagement für aktuelle Sorgearbeit habe. So würden in Baden-Württemberg schulische Jugendbegleitungsprogramme – etwa in Form von Hausaufgaben- und Nachmittagsbetreuung – in großen Teilen von Ehrenamtlichen getragen. Ähnliches beobachte sie in der Altenpflege, in der es zur Ausbeutung von „sorgende Gemeinschaften“ käme. „Freiwillige, die das Waschen, Lagern und die Nahrungsaufnahme von bettlägrigen Senior*innen übernehmen, können keine professionelle Pflegekraft ersetzen“, warnte sie. Ehrenamtliche dürften ihr zufolge nicht die Lückenfüller eines sich zurückziehenden Sozialstaates sein.

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