Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter

14. Juli 2022  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Judith Butler, 2011 (Andrew Rusk CC BY 2.0)

Kritik an einer dogmatischen Identitätspolitik, stattdessen gruppenübergreifende Allianzen für eine Gemeinschaft der Vielen ist das Anliegen von Judith Butler. Die 17. Folge des Theoriepodcasts tl;dr der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit ihrem Buch „Unbehagen der Geschlechter“.

Sozialismus für alle

„Butler sieht sich als eine Vertreterin des Demokratischen Sozialismus, der diverse Gruppen einbindet und alle Unterschiede anerkennt“, erklärte der Sozialwissenschaftler Alex Demirović. Sie lehne eine starre Fokussierung auf Identitätspolitik ab, da die Betonung einzelner Merkmale zu einer Verdinglichung der Person führten und das „In-Verhältnis-setzen“ zu anderen Menschen vernachlässigten. „Jede Person besitzt eine Vielzahl von Identitäten“, betonte er. Diese Intersektionalität sähe man daran, dass Frauen zugleich Migrantinnen, prekär Beschäftige und nicht-heterosexuelle Menschen sein könnten. Das Hervorheben einzelner Identitäten führe somit zum Ausschluss anderer, lautete Butlers Kritik.

Gemeinsame Kämpfe

Dem setzte sie Allianzen möglichst vieler Gruppierungen wie Feministinnen, Homosexueller oder Trans-Personen entgegen. Fatal sei, eine marginalisierte Gruppe gegen andere gesellschaftlich Unterdrückte auszuspielen, wie etwa von Alice Schwarzer praktiziert. Politische Machtverhältnisse, die sich beispielsweise durch Sprache und soziale Zuschreibung beständig reproduzierten, müssten kritisch hinterfragt werden. Ziel sei eine Gesellschaft, in der das Individuum differenziert und vielfältig wahrgenommen werde und die somit Platz für alle Gruppierungen schaffe. Bekannt wurde Butler mit der „Heterosexuellen Matrix“, die zwischen dem biologischen Geschlecht/Körper, der sozialen Zuschreibung und dem persönlichen sexuellen Begehren differenzierte.

9/11: Ungleiches Erinnern

Butler, deren jüdische Familie aus Russland bzw. Ungarn stammte, bezeichnet sich als nonbinäre Person. Nach dem Studium der Philosophie an der Yale-University verbrachte sie ein Auslandsjahr in Heidelberg. Sie kritisierte, dass die Opfer des Terroranschlags auf das World-Trade-Center (11. Sep. 2001) geradezu in ritueller Erinnerung gehalten würden, die rund 1 Million Todesopfer des „war on terror“ in Afghanistan, Pakistan und Irak (Stand: 2015) im kollektiven Gedächtnis nicht auftauchten. Weitere bekannte Bücher sind „Körper von Gewicht“ (1993) und „Hass spricht“ (2006).

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