Kapital, Kolonialismus, Hexenverbrennung

24. April 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0

Die geschlechtliche Spaltung des Proletariats und insbesondere Gewalt gegen Frauen ist das Thema von Silvia Federicis Buch „Caliban und die Hexe“. Dieses wurde in der zehnten Folge des Theoriepodcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung vorgestellt.

Kapitalismus und Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig. Laut den Vereinten Nationen werden jedes Jahr mehrere tausende Frauen – meist von ihren Lebenspartnern – ermordet. Sie sind beim Gehalt oftmals schlechter gestellt als Männer, sind aber durch Haushalt und Lohnarbeit doppelt belastet. In der Werbeindustrie wird der weibliche Körper zur Vermarktung von Produkten instrumentalisiert.

Literatur und Widerstand

Die 1942 in Parma geborene Federici lebte in Italien, Nigeria sowie den Vereinigten Staaten und war ab den 70er Jahren in der Frauenbewegung aktiv. Sie veröffentlichte ihr wohl bekanntestes Buch 2004, wobei Caliban Bezug nimmt auf eine Figur William Shakespeares (Der Sturm, 1611), die für den antikolonialen Widerstand steht und die Hexe Sinnbild für all die Frauen ist, die in Europa und Amerika verfolgt wurden.

Der Schwarze Tod

Die Professorin für politische Philosophie zeichnet die Akkumulation des Kapitals vom 15. bis zum 18. Jahrhundert nach und erklärt, wie sich das Leben der Frauen durch den Kapitalismus veränderte. Den gesellschaftlichen Umgang mit Frauen setzt sie dabei in den Kontext von Kolonialisierung, Ausbeutung überseeischer Ressourcen und Sklaverei. Als geschichtliches Schlüsselereignis sieht sie die Pest, der Mitte des 14. Jahrhunderts rund 30 Prozent der europäischen Bevölkerung zum Opfer fielen. Die enorm hohe Sterblichkeit verursachte eine Krise des bisherigen Feudalismus.

Frau: Haus und Herd

Mit dem entstehenden Kapitalismus versuchte das Bürgertum nun, auf den entstandenen Machtverlust aufgrund der großflächigen Entvölkerung zu reagieren. Dies schlug sich auch in der Philosophie und dem Gesellschaftsbild nieder. Männer wurden als rational und souverän angesehen (René Descartes), Frauen hingegen als irrational und sexuell getrieben. Das bevölkerungspolitische Ziel dahinter: Die so geschaffene geschlechtliche Arbeitsteilung in Haushalt und Erwerbsarbeit sollte dazu führen, dass Frauen, statt auf dem Hof oder der Werkstatt mitzuarbeiten, möglichst viele Kinder bekämen. Auf lange Sicht sollte so der Bevölkerungsschwung wieder ausgeglichen werden.

Spaltung des Proletariats

Die Trennung von Arbeit und Haushalt hatte zur Folge, dass Frauen vom Ehemann wirtschaftlich abhängig waren. Dabei sorgten sie mit ihrer unbezahlten Care-Arbeit dafür, dass seine Arbeitskraft erhalten blieb. Oder, um es mit einem Zitat Federicis zu sagen: „Der Körper der Frau ist das, was für den männlichen Lohnarbeiter die Fabrik ist – der Hauptschauplatz ihrer Ausbeutung.“ Die gesellschaftliche Unterordnung der Frau unter den Mann sorgte auch für die Spaltung des Proletariats anhand geschlechtlicher Grenzen.

Kapitalismus, Sklaverei, Sexismus

Federici führte weiter aus, dass Descartes Vorstellung von Tieren als seelenlosen Wesen zum Teil auch auf Sklav*innen oder Frauen übertragen wurde. So sieht sie enge Verbindungen zwischen Kapitalismus, Sklaverei und Sexismus. Die Hexenverfolgung, die ihren Höhepunkt zwischen 1560 und 1630 erreichte, richtete sich ihrer Ansicht nach vor allem gegen selbstbestimmte und eigenständige Frauen. Unter den willkürlichen Beschuldigungen und der Denunziation hatten auch ältere Frauen zu leiden, die als Hebammen auch Wissen über Abtreibungsmöglichkeiten besaßen.

Solidarisches Wirtschaften

Der ständigen Ausbeutung der Frau im Dienste der Reproduktion setzt sie ein solidarisches Wirtschaften entgegen. Beispiele dieser gemeinschaftlichen Produktion (Commoning) – jenseits von Markt, Staat und Familie – können Subsistenzwirtschaft, Urban Gardening oder auch ein Gesetz zur Entlohnung von Hausarbeit sein.

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