Joseph Vogl: Digitalkonzerne, Daten und Hass

11. September 2022  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Joseph Vogl, 2012 (Urheber: Dontworry CC BY-SA 3.0)

Die Kapitalisierung von Informationen sowie die Fragmentierung der Öffentlichkeit sind Grundpfeiler digitalen Kapitalismus. Dies erläuterte der Medienwissenschaftler Joseph Vogl bei einem Vortrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg.

Wir geben unsere Daten

„Digitale Plattformen wie Airbnb, Google oder Facebook haben geringe Fixkosten und oftmals durch ihren Standort auch Steuervorteile“, skizzierte Vogl das wirtschaftliche Konzept großer Digitalkonzerne. Aufgrund von quasimonopolartigen Stellungen am Markt werde dieser privatisiert, so dass Unternehmen wie Amazon anderen Firmen ihre Marktkonditionen diktieren könnten. Ein Baustein hin zu deren Erfolg sei die Tatsache, dass es den Konzernen gelang, den Zugang zu Informationen durch Datenextraktionismus zu kanalisieren bzw. zu regulieren. „Wir nutzen alle scheinbar kostenlose Apps und geben durch das stattfindende Tracking Unmengen an Daten preis“, erklärte Vogl das System. Die von Amazon und Co. erfolgte Datensammlung sei sogar noch umfänglicher als die westlicher Geheimdienste. „Nach dem 11. September 2001 kam es deshalb zu engem Austausch zwischen Google und der CIA“, wies er auf das Machtverhältnis von privaten Unternehmen und staatlichen Institutionen hin.

Providerprivileg und Dotcom-Blase

Ein erster Schritt in diese Richtung war der Communications Decency Act (1996) bzw. der Artikel 230, der festlegte, dass Online-Anbieter nicht für die Inhalte ihrer Nutzer*innen haften. Unter anderem dieses Providerprivileg, das die Betreiber von presserechtlicher Verantwortung entband, führte zu einem Hype, so dass nur die Börsennotierung der digitalen Firmen, nicht deren reale Produktivität von Bedeutung war. Die Folge, dieses auf einen zukünftigen Gewinn ausgerichteten Denkens, war die Dotcom-Blase, die im Jahr 2000 zerplatzte. Die Unternehmen, die diesen Zusammenbruch überstanden, waren jene, die heute als große Player das Geschehen bestimmen.

Hass klickt gut

Neben dem Sachverhalt, dass aus jedem Klick in der Freizeit eine Datenspur und somit ein Mehrwert für einen Internet-Konzern geschaffen wird, ist auch die Veränderung der Kommunikation von Bedeutung. „Facebook oder Whatsapp vermischen private Kommunikation und Öffentlichkeit“, sagte Vogl. Seiner These nach würde die Öffentlichkeit mithilfe von Algorithmen in Kleingruppen aufgeteilt, in denen Gleichgesinnte zusammenfänden, um sich gegen Andersdenkende zu positionieren. Die Wahlkämpfe in Großbritannien (2015) sowie die Präsidentschaftswahl in den USA (2016) seien maßgeblich von solch abgeschotteten Gruppenbildungen getragen gewesen. Denn die negativen Emotionen führten schließlich zu zahlreichen Klicks. „Der Völkermord an den Rohingya in Myanmar ist ohne die in Facebook geteilten Inhalte nicht denkbar“, verwies Vogl auf die blutigen Konsequenzen dieser Systemlogik. Ähnlich sei es bei der Verbreitung von Vorurteilen und Hass durch den hindunationalistischen Präsidentschafskandidat Modi in Indien gewesen. Und die bürgerkriegsähnliche Atmosphäre in den USA könne auch auch zu Teilen auf die Sozialen Medien zurückgeführt werden.

Staatliche Regulierung nötig

Einen Versuch, die Macht der Digitalkonzerne zu brechen, sah er in den Gesetzesvorlagen der Europäischen Union. Diese sei darauf aus, die Marktmonopole der Unternehmen zu beschränken, den Datenextraktionismus auf US-amerikanische Server zu verhindern sowie gegen Hassreden im Netz vorzugehen. „In einer idealen Medienwelt müssen Daten wieder Allgemeingut werden“, hofft Vogl. Doch bis dahin sei es eine sinnvolle Sache, wenn der Staat dem grenzenlosen Agieren privater Konzerne Einhalt gebietet.

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