Postmarxismus: Hegemonie und radikale Demokratie

17. September 2022  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Chantal Mouffe in Berlin, 3. Oktober 2018 (RLS CC BY 2.0)

Ein Antikapitalismus, der sich gegen Rassismus und für eine ökologische Veränderung einsetzt, ist das Erbe von Chantal Mouffe und Ernesto Laclau. In der 18. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung ging es über ihr Buch „Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus“.

Marx neu denken

Eigentlich sollte das 1985 veröffentlichte Werk die linke Diskussion in den 80er Jahren anregen. Doch manche angestoßenen Diskurse waren so wirkmächtig, dass sie bis heute spürbar sind. Laclau und Mouffe fragten nach den damals aufkommenden Neuen Sozialen Bewegungen, die sich gegen Atomkraft und Rassismus oder für Feminismus einsetzten. Da ihr Engagement kaum ökonomische Ursachen hatte und die Aktivist*innen nur selten der Arbeiter*innenschaft entstammten, war dies ein Phänomen, das dem dogmatischen Marxismus zuwiderlief.

Postmarxismus

Der von ihnen mitbegründete Postmarxismus bezog sich zwar auf die marxistische Tradition, thematisierte jedoch auch neue Entwicklungen. Der Gedanke war ein Sozialismus ohne Karl Marx, jedoch mit viel liberalen Werten. Kritik wurde vor allem an dem starren Festhalten an der Arbeiter*innenklasse als alleinigem Subjekt, der Revolution sowie der alles durchdringenden „historischen Notwendigkeit“ geübt. Beide griffen Antonio Gramscis Hegemonie-Konzept auf, entwickelten es jedoch zu einer radikal-libertären Demokratie weiter.

Gegen Rassismus und Patriarchat

Sah Gramsci Hegemonie als die Durchsetzung des bourgeoisen Lebensstils auf andere Klassen, interpretierten Laclau und Mouffe dies so, dass die bürgerliche Lebensweise von den Neuen Sozialen Bewegungen auf verschiedenen Themenfeldern angegriffen werden könne. Beispielhaft sei der Kampf gegen das Patriarchat, das dominante Weißsein oder der Fortschrittsglaube in Kernenergie. Allerdings werden diese Kämpfe stets aufs neue geführt und verändern sich zum Teil. Somit räumten die Autoren mit der Hoffnung auf, dass nach der Revolution alle Probleme mit einem Mal erledigt seien.

Mit Vielfalt gegen Kapitalismus

Fast 40 Jahre später ist die Pluralität der Auseinandersetzungen und die Heterogenität der Aktivist*innen immer noch aktuell. So richtet sich der Antikapitalismus gegen verschiedene Themenbereiche wie etwa Atomkraft oder Rassismus, setzt sich aber andererseits für ökologisch-regionale Ernährung und öffentliche Mobilität ein. Auch wird der Blick auf die Intersektionalität der Kämpfenden gerichtet. Man kann das kapitalistische System als Frau, als Person of Color oder auch aufgrund der eigenen queeren Lebenseinstellung kritisieren. Somit stellten Laclau und Mouffe schon damals klar, was wir heute sehen: Antikapitalistische Kämpfe werden nicht von der monolithisch erscheinenden Arbeiter*innenschaft geführt, sondern von den Vielen.

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