Vermögenskonzentration in Deutschland besorgniserregend

29. September 2023  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Michael Hartmann, 2008 (Hannes Röst, CC BY-SA 3.0)

Die gewaltigen Unterschiede bei Vermögen und Einkommen in der Bundesrepublik waren Thema bei einem Vortrag des Soziologieprofessors Michael Hartmann. Dieser wurde von dem Linken Forum Paderborn organisiert.

126 gleich 40 Millionen

Laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes habe es 2023 in Deutschland 126 Milliardär*innen mit einem Gesamtvermögen von rund 600 Milliarden Euro gegeben, erklärte der Soziologe Hartmann. „Damit besitzen diese 126 Menschen genau so viel wie die 40 Millionen Bürger*innen aus der unteren Hälfte der Bevölkerung“, verdeutlichte er die Besitzverhältnisse. Deutschland liege mit dieser Anzahl global gesehen zwar hinter den Vereinigten Staaten, der Volksrepublik China und Indien.

Europas Milliardenparadies

Doch sei die Bundesrepublik in Europa Spitzenreiter. „Frankreich beheimatet nur 43 Milliardär*innen“, zog er einen Vergleich. Gemessen an Wirtschaftskraft und Bevölkerungsgröße müssten es jedoch 100 sein. Die Ungleichheit wird auch beim Deutschen Institut für Wirtschaft deutlich. „Eine Studie hat nachgewiesen, dass das das reichste oberste Prozent in Deutschland über 30 Prozent des Vermögens verfügt“, erläuterte Hartmann. Eine vergleichbare Kapitalanhäufung sei auch bei „Ultrareichen“ mit einem Vermögen von über 100 Millionen Euro zu erkennen. „In Deutschland sind das 3.100 Personen“, sagte der Professor. Damit liege man weltweit auf Platz 3.

Ungleichheit nimmt zu

Die jährliche Befragung des sozioökonomischen Panels ergab, dass sich die Ungleichheit in Deutschland zwischen 2000 und 2019 vergrößert habe. Indikator dafür ist der Gini-Index. Besitzt bei einem Index von 1 eine Person allen gesellschaftlichen Reichtum, bedeutet 0, dass jeder Mensch genau gleich viel sein Eigen nennen kann. „In diesen zwei Jahrzehnten hat sich die Differenz von 0,25 auf 0,3 ausgeweitet“, erklärte Hartmann. Nach eigenen Berechnungen hätten die unteren 10 Prozent der Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren einen Reallohnverlust von 5 Prozent erfahren, die obersten zehn Prozent hingegen 25 Prozent mehr hinzuverdient, beschrieb er die Unterschiede bei den Einkommen.

Nur 1,5 Prozent Steuern

Als Beispiel nannte er die beiden Hauptaktionär*innen des BMW-Konzerns, denen für ihre Aktien eine Dividende von 1,6 Milliarden Euro ausgeschüttet wurde. Oder Klaus-Michael Kühne. „Kühne ist Hauptaktionär von Hapag-Lloyd und hat ein geschätztes Vermögen von 35 Milliarden Euro“, erläuterte der Wissenschaftler. Seine Dividende umfasste mit 3,3 Milliarden Euro das 1.300-fache des Verdienstes des Vorstandschefs und war in etwa so viel, was 68.000 Einwohner*innen in Paderborn verdienen. „Auf die 3,3 Milliarden Euro zahlt Kühne nur 0,75 Prozent Körperschafts- und 0,75 Prozent Gewerbesteuer für die Vermögensverwaltungsgesellschaft“, erläuterte Hartmann die fiskalischen Folgen der Riesengewinne.

SPD: Für die Superreichen

Die Ursachen für diese soziale Ungleichheit sah der Forscher in der Sozialdemokratie. „Unter den Bundesfinanzministern Hans Eichel und Peer Steinbrück kam es zu massiven Begünstigungen der oberen Einkommen“, erläuterte er. So wurde der Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 abgesenkt und die bisher beim Verkauf von Aktien geltende Veräußerungssteuer von 50 Prozent gänzlich abgeschafft. Ebenfalls kam es zur Reform der Erbschaftssteuer für Familien. „Bei Schenkungen bis 100.00 Euro müssen 8 Prozent Steuern gezahlt werden, bei Beträgen von 20 Millionen ist es lediglich 1 Prozent“, verdeutlichte Hartmann die Unterschiede. 2021 wurden 13,9 Milliarden Euro in der zweiten Kategorie verschenkt. „Das deutsche Steuerrecht müsste sich mit den großen Vermögen befassen“, forderte er.

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