Thomas Piketty: Ungleichheit im Kapitalismus

13. September 2023  Wirtschaft
Geschrieben von Kreisverband

Der französische Ökonom Thomas Piketty bei der Vorstellung seines Buchs „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, 18. April 2014, Cambridge, Massachusetts (Sue Gardner, CC BY-SA 3.0)

Die wachsende Ungleichheit und die Notwendigkeit eines „Demokratischen Sozialismus“ waren Thema beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Dort sprach Thomas Piketty über Neoliberalismus und Vermögensteuern.

Die Akkumulation des Kapitals

„Milliardär*innen wie Bill Gates oder Jeff Bezos besitzen etwa 100 Milliarden US-Dollar“, erklärte der französische Ökonom Piketty. Vor zehn Jahren belief sich das Vermögen der Superreichen auf lediglich 30 Milliarden, fünf Jahre vorher waren es nur fünf Milliarden, verdeutlichte er die exorbitante Kapitalkonzentration. Während die reichsten 10 Prozent in Europa und den Vereinigten Staaten über 65 Prozent des Vermögen verfügten, hat die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung nur 5 Prozent des Gesamtvermögens. „Kinder aus einkommensschwachen Familien und der Mittelklasse werden kaum etwas erben und somit kein Vermögen bilden können“, beleuchtete Piketty die Klassenunterschiede.

Spitzensteuersatz von 81 Prozent

Dabei führe ökonomische Gleichheit zu mehr sozialer Mobilität, persönlicher Entfaltung und langfristig zu wirtschaftlicher Prosperität. Als Beispiel führte der Professor der Pariser Hochschule für Sozialwissenschaften die Vereinigten Staaten an. „In den USA gab es zwischen 1930 und 1980 einen Spitzensteuersatz von 81 Prozent, was gleichzeitig zum höchsten Wirtschaftswachstum der Geschichte führte“, erklärte er. Denn die Steuereinnahmen der Reichsten flossen in Infrastrukturmaßnahmen und Bildung. Diese Investition in breite Bevölkerungsschichten hatten einen enormen Bildungsvorsprung und somit auch wirtschaftliche Innovationen der USA gegenüber Europa zur Folge.

Steuergeschenke zerstören Wachstum

Lag das Pro-Kopf-Nationaleinkommen der USA zwischen 1950 und 1990 bei 2,2 Prozent, änderte sich dies nach der neoliberalen Reagan-Ära. Denn zwischen 1990 und 2020 fiel dieser Wert auf 1,1 Prozent. „Das Versprechen, durch Steuersenkungen für Unternehmen und Milliardär*innen die Wirtschaft zu beleben, hat sich nicht erfüllt“, diagnostizierte der Wissenschaftler. Vielmehr sei der Wachstumsrückgang auf die sinkenden Investitionen im Bildungssektor zurückzuführen.

Neoliberalismus und Populismus

Seit den 80ern verzeichneten die USA und Großbritannien den größten Anstieg der sozialen Ungleichheit. „Ronald Reagan und Margaret Thatcher versprachen mit Hilfe der Globalisierung Wohlstand für alle“, kommentiere Piketty die Entwicklung. Aus diesem Vergessen der Mittelklasse schlage nach 30 Jahren jedoch Donald Trump Kapital. Mit seiner Rhetorik gäbe er Mexikaner*innen, Chines*innen und Europa die Schuld für die Situation der amerikanischen Arbeiter*innen, erläuterte er die Folgen. Doch verfolge Trump einen ähnlichen Kurs wie sein republikanischer Vorgänger Reagan. „Trump senkte Steuern für Milliardär*innen und wollte die Erbschaftssteuer abschaffen“, rief Piketty dessen finanzpolitisches Programm in Erinnerung.

Demokratischer Sozialismus

Stattdessen brauche es eine wirtschaftliche Umverteilung, um der verschuldeten Mittelklasse zu helfen. Der von Piketty angestrebte „Demokratische Sozialismus“ fußt auf einer starken Mitbestimmung von Belegschaften. Diese sollten in betrieblichen Gremien einen Stimmanteil von 50 Prozent erhalten, um die langfristige Unternehmensstrategien aktiv mitgestalten zu können. Ebenfalls sollten die Stimmrechte von Großaktionär*innen auf 10 Prozent begrenzt werden.

Milliardenanhäufung verhindern

Gleichfalls tritt er für die kontinuierliche Zirkulation von Besitzverhältnissen ein. „Besitzer*innen großer Vermögen müssen der Gesellschaft einen Teil ihres Besitzes zurückgeben“, forderte er. Es bringe nichts, wenn Einzelne bis zu 100 Milliarden besäßen. „Die meisten Unternehmer*innen in Deutschland sind keine Milliardär*innen“, wies Piketty auf den sogenannten Mittelstand hin. Wenn diese einige Millionen erwirtschafteten, sei dies vollkommen in Ordnung. „Jede*r soll über einige 100.000 Euro verfügen, manche auch über ein paar Millionen“, führte er aus. Denn in den 70er Jahren habe es in den USA zwar wenige Milliardär*innen, dafür aber mehr Innovationen und höhere Lohnzuwächse gegeben.

Vermögensteuer für mehr Gleichheit

Eine Möglichkeit, zu gleichem Zugang zu Bildung, Gesundheit sowie wirtschaftlichem, sozialen und demokratischen Leben zu kommen, sah er in der Steuerpolitik des US-Demokraten Bernie Sanders. Dieser hatte sich bei seiner Präsidentschaftskandidatur 2020 für eine bundesweite Vermögenssteuer von 8 Prozent ausgesprochen. Wer daraufhin sein Vermögen außer Landes schaffen wolle, habe zuerst eine 40-prozentige Steuer zu entrichten. „Privatbesitz ermöglicht es dem Einzelnen, seine Ziele zu verfolgen“, gab Piketty zu. Doch rechtfertige dies nicht die exzessive Anhäufung von Kapital, die aktuell stattfinde.

Weiterführende Links:

« zurück