Asylpolitik und Menschenrechte

13. Mai 2024  Europa
Geschrieben von Kreisverband

Bootsflüchtlinge mit einem sich nähernden Schiff der spanischen Küstenwache (Noborder NetworkFlickr: cayuco approached by a spanish coast guard vessel, CC BY 2.0)

Kritik an der migrationspolitischen Abschottung der EU und der strukturellen Benachteiligung der zivilen Seenotrettung waren Schwerpunkte bei der Veranstaltung „Europäische Asyl- und Migrationspolitik“. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

Nicht „alle“ wollen in die EU

„Die Fluchtroute über das Mittelmeer ist tödlich“, erklärte die Seenotretterin Sandra Hammamy. Bisher seien über 30.000 Menschen auf dem Weg nach Europa ertrunken. Allerdings sei es falsch, zu glauben, alle Flüchtlinge wollten in die EU. „Der Großteil der weltweiten Flüchtlinge sind Binnenvertrieben im eigenen Land“, sagte sie. Zahlreiche Menschen fänden auch in benachbarten Staaten Schutz, wenn es im Heimatland zu kriegerischen Konflikten oder Verfolgung käme. „Nur die wenigsten wollen überhaupt nach Europa“, betonte sie.

Sklaverei und Gewalt

Diejenigen, welche die Wüsten im Niger und Sudan lebend durchquert hätten, fänden sich meist in libyschen Internierungslagern wieder, in denen es zu Sklaverei, Gewalt und Missbrauch komme. „Das Auswärtige Amt spricht in diesem Zusammenhang von KZ-ähnlichen Zuständen“, erläuterte Hammamy. Dort müssten die Menschen das Geld für ihre Schleuser erarbeiten, die sie in hochseeuntauglichen Booten aufs Meer Richtung Malta und Italien schickten.

„Mare Nostrum“

Nachdem 2013 jedoch 350 Tote an italienische Küsten angeschwemmt wurden, startete das Land mit „Mare Nostrum“ eine eigene staatliche Rettungsmission. Da die anderen EU-Staaten jedoch ihre Unterstützung verweigerten, wurde die Aktion nach neun Monaten wieder eingestellt. „Seither füllen private Initiativen diese Lücke“, erklärte sie. Solange es jedoch keine sicheren Fluchtwege gäbe, könnten auch Maßnahmen wie das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) das Sterben nicht verhindern.

Prozesse gegen Aktivist*innen

Da die europäische Grenzschutzbehörde Frontex die Position von Flüchtlingsbooten an die libysche Küstenwache weitergebe, könnte diese die Menschen aus internationalen Gewässern wieder zurück nach Libyen bringen. „Die Milizen werden mit EU-Steuergeldern ausgerüstet“, kritisierte die Seenotretterin. Zeitgleich würden hunderte Aktivist*innen wegen sogenannter „Solidaritätsverbrechen“ angeklagt, da sie auf Rettungsschiffen geholfen oder Wasservorräte in der Wüste angelegt hätten. Schiffe mit Geretteten dürften oftmals nicht im nächstgelegenen sicheren Hafen anlaufen, sondern müssten lange Umwege in Kauf nehmen, sprach sie weitere Probleme an.

Restriktionen im Camp

Natalie Maurer von der Refugee Law Clinic skizzierte den formaljuristischen Ablauf. Nach der Meldung bei den Behörden würden die Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, wo eine erkennungsdienstliche Behandlung sowie eine freiwillige Rückkehrberatung erfolge. Für die Dauer des Asylverfahrens würde eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. „Die Menschen müssen im Camp bleiben und dürfen nicht arbeiten“, sprach die Wissenschaftlerin die Beschränkungen an.

Grenzzäune statt Flüchtlinge

Mit GEAS seien nun beschleunigte Asylverfahren mit einem eingeschränkten Rechtsschutz möglich. „,Sichere Drittstaaten‘ müssen die Genfer Flüchtlingskonvention nicht mehr vollständig ratifizieren“, wies sie auf Verschlechterungen für schutzsuchende Menschen hin. Auch könnten EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollten, Geld für neue Grenzzäune geben und sich somit freikaufen. „Die EU gründet sich auf die Achtung der Menschenrechte – das sollte sich auch in der Asylpolitik widerspiegeln“, forderte Maurer. Ukrainer*innen müssten beispielsweise kein Asylverfahren durchlaufen. „Warum kann man dies nicht auf andere Nationalitäten ausweiten?“, fragte sie.

Kein individuelles Asylrecht

Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, erläuterte, dass mit GEAS das Asylrecht in Drittstaaten außerhalb der EU ausgelagert werden würde, etwa in die Türkei. „Hier werden vor allem Syrier*innen in ihr vom Bürgerkrieg zerrissenes Land abgeschoben“, sprach sie Probleme dieser Praxis an. Doch Grüne und SPD lobten dies als eine „Errungenschaft“, obwohl mit der Verschärfung das individuelle Recht auf Asyl keinen Bestand mehr hätte. Nun werde nicht mehr die Schutzbedürftigkeit an den EU-Außengrenzen geprüft, sondern nur gefragt, ob die Person in ein anderes Land abgeschoben werden könne.

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