Die Neue Rechte in Frankreich

03. Januar 2023  Europa
Geschrieben von Kreisverband

Alain de Benoist 2012 in Antwerpen (Urheber: Thiois, CC BY-SA 3.0); Renaud Camus, 2019 (Urheber: Leoboudv, CC BY 2.0)

Die „Neue Rechte“ (Nouvelle Droite) in Frankreich hat ursprünglich linke Konzepte zu einer migrationsfeindlichen Ideologie umgedeutet. Ziel soll ein weißes Europa frei von „kulturfremden“ Einflüssen sein. Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden geht diesen menschenfeindlichen Ideen und ihrer Verbreitung in Deutschland nach.

Linke Ideen kapern

Ein bekanntes Schlagwort rechten Denkens ist der häufig propagierte Ethnopluralismus. Sein Anfang liegt jedoch bei linken Ethnografie-Dozierenden, die 1968 gemeinsam mit ihren Studierenden die Sorbonne besetzten, um für eine gerechtere Gesellschaft zu demonstrieren, erläuterte Danilo Scholz vom École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris. „Sie wandten sich gegen die Auslöschung indigener Völker in Südamerika infolge des Kontakts mit der westlichen Zivilisation“, skizzierte der Ideenhistoriker die Sorgen der Forscher. Um der Zerstörung der traditionellen Lebensräume, der Arbeitslosigkeit und dem Alkoholismus Einhalt zu gebieten, müssten sich die indigenen Gruppen von den kapitalistischen Konsumgesellschaften abschotten.

Für Nation, gegen Migration

Diesen Schutz der Schwächeren griffen rechte Denker auf und übertrugen ihn auf europäische Nationen. Das rechte Motto lautete nun: Um den Schutz der Völker zu gewährleisten, müssten diese gegenseitigen Abstand halten und dürften sich nicht vermischen. Unterschiedliche Kulturen dürften nur noch getrennt voneinander existieren. „Der Kerngedanke der Neuen Rechten ist gegen Migration und gegenseitigen Austausch gerichtet“, fasste Scholz dieses Konzept zusammen und betonte dessen Aktualität in einer globalisierten Welt.

Gesellschaftliche Deutungshoheit gewinnen

Eine weitere Umdeutung erfuhr die „Kulturelle Hegemonie“ des italienischen Antifaschisten Antonio Gramsci. Sie besagte, dass die Deutungshoheit des bürgerlichen Staates durch proletarische Ideen abgelöst werden müsse, um so den Wandel zu einer sozialistischen Gesellschaftsform zu ermöglichen. Der rechte Philosoph Alain de Benoist machte sich diese Überlegung zu eigen und forderte, die Rechte müsse im gesellschaftlichen Diskurs wichtige Begriffe mit ihren reaktionären Deutungen besetzen. Die Erlangung rechter Deutungshoheit firmierte nun unter dem Schlagwort „Metapolitik“.

Der „Große Austausch“

Ein anderer Akteur rechten Denkens ist der Schriftsteller Renaud Camus. Sein Konzept des „Großen Austausches“ bezieht sich auf koloniales Denken des 19. Jahrhunderts und behauptet, dass Migrant*innen mit einer höheren Geburtenrate die angestammte weiße Bevölkerung in Europa verdrängen würden. Der Attentäter von Christchurch, der 2019 in zwei Moscheen 51 Menschen ermordete, begründete seine Tat mit einer drohenden „Überfremdung“. Camus‘ Schriften wurden von dem Österreicher Martin Lichtmesz (Sezession) ins Deutsche übersetzt. Der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek vertrieb das Buch „Revolte gegen den Großen Austausch“ mit einem Nachwort von Martin Sellner (Identitäre Bewegung). Ziel des von Eliten in Politik und Wirtschaft gesteuerten Plans sei, einen kultur- und heimatlosen Menschen zu schaffen, der als willfähriger Konsument des globalen Kapitalismus diene.

Die „Action française“

Der Beginn rechter Intellektualität in Frankreich fällt mit der „Dreyfus“-Affäre zusammen. Der jüdische Offizier Alfred Dreyfus wurde mit Hilfe gefälschter Beweise beschuldigt, Militärgeheimnisse an den deutschen „Erbfeind“ weitergegeben zu haben. Während der Schriftsteller Emil Zola 1898 die republikanischen Intellektuellen aufforderte, gegen diesen Rechtsbruch Position zu ergreifen, sah der rechtsextreme Schriftsteller Charles Maurras in Zolas Aufruf einen Angriff auf die „geheiligte“ Institution der Armee. Maurras gründete daraufhin die „Action française“ als monarchistische und nationalistische Gruppierung, die laut dem deutschen Historiker Ernst Nolte verschiedene Elemente des Faschismus beinhaltete. 1936 verübten Mitglieder einen Mordanschlag auf den jüdischen sozialistischen Ministerpräsidenten Leon Blum.

Meinungsmache statt Terror

Gegen Ende des Algerienkriegs (1954-1962) bildete sich aus Teilen der französischen Streitkräfte die „Organisation der geheimen Armee“ (OAS), die sich gegen die Unabhängigkeit des einstigen französischen Departements aussprach. Neben Terroranschläge gegen muslimische Algerier*innen verübte sie auch ein Bombenattentat auf den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle. „Nach der militärischen Niederlage Frankreichs war allen Rechten klar, dass sich nationale Größe nicht militärisch erreichen lässt“, bilanzierte Scholz das Scheitern der Armee in Algerien. Nicht ein rechtsgerichteter Nationalstaat, sondern ein rechtes Europa sollte das Ziel der nun entstehenden Nouvelle Droite sein. Mittel dazu waren eine rechte Deutungshoheit, die angebliche Gefahr kultureller Vermischung sowie die Mär vom „Austausch der Völker“.

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