Ukraine: Waffenstillstand in weiter Ferne

19. Mai 2023  Europa
Geschrieben von Kreisverband

Das Luhansk-City-Hospital in Cherson nach russischem Beschuss, 28.3.2023 (npu.gov.ua, CC BY 4.0)

Der schwierige Weg zu Friedensverhandlungen, um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden, war Thema bei einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrhein-Westfalen.

Politische Entscheidung nötig

Christine Buchholz, die bis 2021 für Die Linke im Verteidigungsausschuss saß, sah die imperialistische Aggression Russlands, die sich gegen das Selbstbestimmungsrecht des ukrainischen Volkes stellte, in einer Traditionslinie mit dem repressiven Zarenreich und dem Stalinismus der Sowjetunion. „Politiker*innen beider Seiten müssen zur Entscheidung kommen, den Krieg nicht mehr weiterzuführen“, mahnte sie.

Russland: Haft für Pazifist*innen

Während es für die Ukraine um einen Kampf für die eigene Unabhängigkeit ginge, seien die Interessen der NATO auch dahingehend zu werten, dass es zur militärischen Schwächung der russischen Streitkräfte kommen sollte, sagte sie. „Auch die russische Zivilbevölkerung muss sich gegen Waffenlieferungen und für Abrüstung einsetzen“, forderte Buchholz. Der Menschenrechtsreport 2022 stellt fest, dass Menschen, die in Russland den Krieg kritisieren, festgenommen und zu hohen Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt werden.

Waffenlieferungen halfen

Andreas Heinemann-Grüder vom International Centre for Conflict Studies widerlegte eine oft geäußerte Behauptung der Kreml-nahen Propaganda. „Niemand will Russland zerstören – denn die NATO hat klargemacht, dass der Krieg nicht auf russischem Territorium geführt werden darf“, erklärte er. Den westlichen Waffenlieferungen sei es zu verdanken, dass die Ukraine überhaupt noch existiere. „Der Krieg wird über Jahrzehnte hinaus als psychisches Trauma in der ukrainischen und russischen Bevölkerung fortleben“, gab er zu bedenken.

Soziales Angebot wichtig

Er teilte die russische Gesellschaft in 15 Prozent Hardliner, 80 Prozent Opportunisten und 5 Prozent Kriegsgegner ein. Das größte Land der Erde hätte lediglich ein Bruttonationaleinkommen wie die Niederlande. „Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich einen Wohlfahrtsstaat nach skandinavischem Vorbild“, erläuterte Grüder. Europa müsse diesen Menschen eine Alternative bieten, die attraktiver als der putinsche Nationalismus sei.

Viele Fragen zu beantworten

Der Mär von der Bevölkerung, die dankbar sei, heim ins russische Reich geholt worden zu sein, erteilte er eine Absage. „Die Menschen in den besetzten Gebieten wollen nicht unter russischer Herrschaft leben.“ Stelle man sich die Frage nach Friedensverhandlungen, müsse man viele Antworten finden: Wer trägt die Kosten des Krieges? Können Flüchtlinge in ihre Heimatstädte zurückkehren? Was passiert mit den Gebieten Luhansk, Donezk sowie der Krim? Wo wird die Grenze zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation verlaufen?

Waffenstillstand ist illusorisch

Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik stellte fest: „Solange Putin im Amt bleibt, wird die Ukraine als ein neutrales Land in Gefahr sein.“ Momentan sei ein Waffenstillstand, demilitarisierte Zonen oder gar ein vollständiger Friede noch in weiter Ferne. „Keine Seite sieht einen Anlass, von der militärischen Option abzuweichen“, sagte er. Erstaunt habe ihn das starke Engagement der USA, die der Ukraine Hilfen in Höhe von 80 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellten. „Eigentlich hatte Präsident Joe Biden den Fokus auf den Indopazifik, nicht auf Europa gelegt“, erläuterte Kaim die US-Politik vor dem 24. Februar 2022.

Gegen russischen Diktatfrieden

Johannes Varwick von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sagte, dass die militärische Unterstützung der Ukraine gegen einen russischen Diktatfrieden sinnvoll sei. Andererseits müsse man über die Neutralität der Ukraine und die dauerhafte Annektion der Krim an Russland reden, um Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen. „Dem Westen gelang es nicht, Russland einen Platz in einer europäischen Sicherheitsarchitektur einzuräumen“, wies er auf die Vorgeschichte des Krieges hin.

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