Antifaschismus – Eine Annäherung

25. Juli 2022  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Antifa-Logo: Die größere rote Fahne steht für Sozialismus, die kleinere schwarze für Anarchismus (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei).

Der Antifaschismus hat in Europa eine rund hundertjährige Geschichte. In Italien kam es 1921 mit Bewegungen gegen den Faschistenführer Mussolini zur „Geburtsstunde“ dieser Haltung. Im österreichischen Bürgerkrieg gegen den Austrofaschismus wie auch in Spanien gegen die Militärdiktatur Francos war er eine treibende Kraft. In Deutschland hemmten ideologische Grabenkämpfe ein effektives Vorgehen gegen den Nationalsozialismus. Ein kurzer historischer Abriss.

Italien: Rote Jahre, schwarzer Terror

Das Königreich Italien war nach dem Ersten Weltkrieg tief gespalten. Einerseits sprach der nationalistische Schriftstellers Gabriele D’Annunzio von einem „verstümmelten Sieg“ und besetzte 1919 die eigentlich zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gehörende Stadt Fiume (heute: Rijeka). Dort errichtete er mit Führerkult, Militarismus und Massenmobilisierung den Prototyp einer faschistischen Gesellschaft. Andererseits kam es 1919/20 mit den „Biennio rosso“, den „zwei roten Jahren“, in Norditalien durch Massenstreiks und Betriebsbesetzungen zu einer großflächigen Arbeiter*innen-Selbstverwaltung in Betrieben und Ländereien. Doch nach dem Scheitern eines Generalstreiks im März 1921 und unablässigem Terror der von Benito Mussolini geführten „Schwarzhemden“ folgten den zwei roten nun zwei schwarze Jahre.

Mutige des Volkes

Im Sommer 1921 organisierten sich mit den „Arditi del Popolo“ (Die Mutigen des Volkes) Syndikalist*innen, Sozialist*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen und linke Republikaner*innen, um dem bewaffneten Terror der „Fasci di combattimento“etwas entgegenzusetzen. Im August 1922 leisteten etwa 350 Antifaschist*innen in Parma den 10.000 angerückten Schwarzhemden sieben Tage lang Widerstand, als diese versuchten, die als „rot“ geltende Stadt zu erobern. Im Oktober ernannte König Viktor Emanuel III. dem Faschistenführer Mussolini nach dessen „Marsch auf Rom“ zum Regierungschef. Es folgten Pressezensur, die Verfolgung politischer Gegner und das Verbot aller Parteien außer der „Partito Nazionale Fascista“. Auch die „Arditi del Popolo“ wurde verfolgt, ihre Mitglieder verhaftet und ermordet, so dass sie 1924 vollständig zerschlagen war.

Österreich: Austrofaschismus

Österreichs erste Republik war nach dem Ende der Habsburger-Monarchie geprägt vom Konflikt zwischen Konservativen und Sozialdemokraten. Von 1918 bis 1920 bildeten die beide Parteien noch eine gemeinsam Koalition. In dieser Zeit etwa schuf Hans Kelsen, einer der bedeutendsten Rechtswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, die 1920 beschlossene Bundesverfassung.

Während die Sozialdemokraten in der Hauptstadt die absolute Mehrheit besaßen und versuchten, im „Roten Wien“ mit tiefgehenden Sozialreformen eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, kontrollierten die Konservativen den Großteil der ländlichen Gebiete. Im März 1933 schaltete der christsoziale Kanzler Engelbert Dollfuß schließlich das Parlament aus, schaffte die unabhängige Justiz ab, führte die Zensur wieder ein und ging aggressiv gegen die Sozialdemokratie vor. So löste er etwa den „Republikanischen Schutzbund“, den paramilitärischen Arm der SPÖ auf. Selbst stützte er sich auf die konservativen Milizen der „Heimwehr“.

Februarkämpfe

Am 12. Februar 1934 durchsuchte die Polizei in Linz das dortige Parteiheim der Sozialdemokraten nach Waffen. Diese wehrten sich jedoch und eröffneten das Feuer. Schnell griffen die Kämpfe auf das ganze Land über, da sich die Arbeiter*innenschaft ihre Rechte nicht nehmen lassen wollte. Besonders harte Kämpfe gab es in Industriegegenden Oberösterreichs und der Steiermark sowie in Wien. Heimwehren, Polizei und Armee zerschlugen durch ihre militärische Übermacht nach zwei bis drei Tagen auch den letzten Widerstand der Sozialdemokratie. Nach Ende der Kampfhandlungen verbot Dollfuß die SPÖ und ließ neun ihrer führenden Politiker in Scheinprozessen zum Tode verurteilen und hinrichten. Nun errichtete er nach dem Modell des „Austrofaschismus“ einen autoritären Ständestaat. 1934 wurde Dollfuß bei dem erfolglosen Putsch der österreichischen Nationalsozialisten getötet. Sein Nachfolger Kurt von Schuschnigg (Vaterländische Front) regierte Österreich bis zum Anschluss ans Deutsche Reich 1938 ebenfalls diktatorisch.

Spanien: Militär gegen Volksfront

1936 gewann die linke „Volksfront“ aus Linksrepublikaner*innen, der Sozialistischen und der Kommunistischen Partei sowie dem marxistischen, nichtstalinistischen POUM (Arbeiterpartei der Marxistischen Vereinigung) die Parlamentswahlen. Auf dem Land besetzten Anarchist*innen die Latifundien des Großgrundbesitzes. Im Juli putschte General Emilio Mola, unterstützt von Großgrundbesitzer*innen, Rechtsrepublikaner*innen, Monarchist*innen, Falangist*innen und der Kirche, gegen die demokratische Regierung. Dank des bewaffneten Widerstands der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT konnte der Aufstand in Madrid, Barcelona und weiteren Landesteilen niedergeschlagen werden, so dass das Militär sich nur im nordafrikanischen Marokko, in Altkastilien und Aragon durchsetzte.

Mit Hitler und Mussolini gegen Demokratie

Mit militärischer Hilfe aus dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien erzielten die Aufständischen, nun unter General Francisco Franco, zunehmend Geländegewinne. Mitte August 1936 erschossen Fremdenlegionäre und marokkanische Söldner in der Stierkampfarena von Badajoz mehrere Tausende Linke. Nationalistische Truppen „säuberten“ das Hinterland systematisch von Gewerkschafter*innen, Revolutionär*innen und Liberalen. Im April 1937 zerstörte die deutsche Legion Condor das baskische Guernica. Im März 1939 rückte die nationalistische Armee schließlich kampflos in die noch von Republikaner*innen gehaltenen Gebiete ein. Nach der Kapitulation fielen bis zu 200.000 Menschen faschistischen Mordaktionen zum Opfer. Der Franquismus stützte sich auf die Staatspartei „F.E.T. y de las JONS“ und errichtete zusammen mit der katholischen Kirche eine Art Klerikalfaschismus, der bis zu Francos Tod 1975 andauern sollte.

Deutschland: Proletarischer Bruderkampf

Im Deutschen Reich lähmten die ideologischen Gegensätze zwischen Sozialdemokratie und (stalinistischem) Kommunismus den gemeinsamen Kampf gegen den Nationalsozialismus. Ab 1928 sorgte Stalins „Sozialfaschismus-Theorie“ dafür, dass Kommunist*innen die Sozialdemokratie als ihren Hauptfeind ansahen. Dies bestärkte die SPD wiederum in ihrer „Rot-gleich-braun“-Sicht, in der sie den Stalinismus als eine ebenso totalitäre Herrschaftsform wie den Nationalsozialismus ansahen. Bei Straßenschlachten bekämpften sich „Roter Frontkämpferbund“ (KPD) und „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ erbittert, statt gemeinsam gegen „Stahlhelm“ (DNVP) und „Sturm-Abteilung“ (NSDAP) vorzugehen. Separate Organisationen wie die „Eiserne Front“ (SPD) oder die „Antifaschistische Aktion“ (KPD) konnten den Siegeszug des Faschismus nicht verhindern.

VVN-BdA

12 Jahre gemeinsame Lagerhaft änderten schließlich dieses ideologische Lager-Denken (kurzzeitig). Nach der Befreiung gründeten sich in ganz Deutschland Gruppen von Überlebenden. 1947 wurde in Frankfurt a.M. der bundesweite Dachverband der „Vereinigung der politischen Gefangenen und Verfolgten des Nazi-Systems“ (VVN) ins Leben gerufen. Ihm gehörten sowohl christdemokratische als auch jüdische, sozialdemokratische wie auch kommunistische Mitglieder an. Hauptanliegen der überparteilichen Organisation war die Unterstützung von im Faschismus Verfolgten, z.B. Hilfe bei Wohnungssuche und Behördengängen, vor allem bei Anträgen auf Wiedergutmachung. Der Ost-West-Konflikt und der damit einhergehende Kalte Krieg führte dazu, dass SPD und CDU die VVN als Stalins fünfte Kolonne sahen und Unvereinbarkeitsbeschlüsse verabschiedeten. 1971 öffnete sich die VVN mit dem Zusatz „Bund der Antifaschist*innen“ (VVN-BdA) auch für Menschen, die nicht persönlich im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Eine der berühmtesten Persönlichkeiten der VVN-BdA ist die Shoah-Überlebende und Trägerin des Große Bundesverdienstkreuzes Esther Bejarano (1924-2021).

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