Rosalux History: Die Novemberrevolution

12. April 2023  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Revolutionsunruhen in Berlin: Mittagsstunde am 9. November 1918 in der Leipziger Straße“ (Historisch)

Die revolutionäre Bewegung im November 1918, aber auch die Maßnahmen der SPD, eine soziale Revolution in Deutschland zu verhindern, waren Thema der 12. Folge von Rosalux History, dem Geschichtspodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

SPD: Für Gott, Kaiser und Vaterland

Nach den Schüssen in Sarajevo, dem deutschen „Blankoscheck“ der Reichsregierung an Österreich-Ungarn und dem daraus folgenden Kriegsausbruch am 1. August 1914 kommt es zur sog. „Burgfriedenpolitik“: Die Gewerkschaften verzichten wegen des Krieges auf jegliche Streiks und die SPD-Abgeordneten stimmen am 4. August geschlossen für die Kriegskredite der konservativen Regierung. Im folgenden Weltkrieg sterben 10 Millionen Soldaten durch Granaten und Maschinengewehre, Giftgas und Flammenwerfer, an Kälte und Krankheit.

Gefängnis für Kriegskritiker

Linke Parteimitglieder um Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht oder Clara Zetkin schließen sich zur „Gruppe International“ zusammen, landen wegen ihrer antimilitaristischen Agitation jedoch schnell hinter Gittern. 1916 spaltet sich die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland (USPD) von der Mehrheitsfraktion (MSPD) ab und ist fortan federführend bei der Organisation von Streiks in Rüstungsbetrieben verantwortlich. 1917 wird in Russland Zar Nikolaus II. durch die Februarrevolution gestürzt, mit der Oktoberrevolution stürzen die Bolschewiki um Lenin ihrerseits die Provisorische Regierung.

Niederlage und Matrosenaufstand

Nach der gescheiterten Michaelsoffensive (und anderer erfolgloser Schlachten) im Frühjahr 1918, an deren Ende fast eine halbe Million toter, vermisster und verwundeter deutscher Soldaten stehen, ist das Deutsche Reich militärisch am Ende. Trotzdem befiehlt die Seekriegsleitung am 24. Oktober eine finale Seeschlacht gegen die überlegene britische Royal Navy. Daraufhin verweigern in Wilhelmshaven mehrere Schiffsbesatzungen den Befehl. Die Rädelsführer werden jedoch festgenommen und nach Kiel überstellt.

Revolution in ganz Deutschland

Dort kommt es zu Demonstrationen tausender Matrosen und Arbeiter, deren Ziel die Freilassung ihrer Kameraden ist. Als ein Offizier das Feuer eröffnen lässt, kommt es zur Revolution. Schnell ist die Hafenstadt in den Händen von 40.000 revolutionären Matrosen, Soldaten und Arbeitern, die nun auch den Sturz der Monarchie und ein allgemeines Wahlrecht fordern. Ihr Vorgehen findet rasche Nachahmer. Am 6. November übernimmt in Wilhelmshaven ein Arbeiter- und Soldatenrat die Macht, am 7. November kommt es in Frankfurt a.M., Stuttgart und München zur Revolution. Der bayerische König Ludwig III. flieht nach Österreich und Kurt Eisner (USPD) proklamiert den „Freistaat Bayern“.

SPD: Gegen die soziale Revolution

Als am 9. November auch die Truppen in Berlin den Befehl verweigern, gibt Reichskanzler Prinz Max v. Baden eigenmächtig die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. bekannt. Kurz darauf rufen Philipp Scheidemann (MSPD) und Karl Liebknecht (Spartakusgruppe/USPD) die „Deutsche Republik“ bzw. die „Sozialistische Republik Deutschland“ aus. Der MSPD-Vorsitzende Friedrich Ebert gesteht Reichskanzler v. Baden, er hasse die soziale Revolution „wie die Sünde“. Um einer Revolution hin zur sozialistischen Gesellschaft Einhalt zu gebieten, bietet Ebert der USPD die Regierungsbeteiligung im „Rat der Volksbeauftragten“ an.

SPD und Gewerkschaft für alte Eliten und Kapital

Parallel dazu bildet sich auch der Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrats Groß-Berlin, der aus Mitgliedern von MSPD und USPD, wobei letztere fast ausschließlich aus den Reihen der „Revolutionären Obleute“ kamen. Um den Einfluss dieser Linksradikalen zurückzudrängen, telefoniert der nun zum Reichskanzler ernannte Ebert am 10. November mit General Wilhelm Groener. Dieser sichert der Regierung die Loyalität der Armee zu, wenn diese gegen den Bolschewismus und dessen Räte-Unwesen vorginge.

Im Zuge dessen bleiben Militär, Justiz, Verwaltung und Bildungswesen fest in der Hand der alten Eliten. Zeitgleich setzen sich die Gewerkschaften mit der Großindustrie (u.a. Hugo Stinnes) zusammen. Beide beschließen den 8-Stunden-Tag unter der Bedingung, dass die Macht der Arbeiterräte gebrochen und der kapitalistische Privatbesitz der Unternehmer unangetastet bleibt.

Räte gegen die Räterepublik

Der Rat der Volksbeauftragten führt am 12. November das allgemeine Wahlrecht und eine „Sozialisierungskommission“ ein. Deren Arbeit wird jedoch noch wenigen Monat eingestellt. Am 6. Dezember schießt die Berliner Polizei bei einer Demonstration in die Menge, 16 Menschen sterben. Die mehrheitlich der MSPD angehörenden Delegierten des Reichsrätekongresses sprechen sich am 21. Dezember für eine Parlamentarische Republik aus und setzen die Wahl zur Nationalversammlung auf den 19. Januar 1919. Ebenso stimmen sie für die Sozialisierung der Industrie und die Demokratisierung des Militärs – beides Punkte aus dem Erfurter Programm der SPD von 1891.

Eberts „Blutweihnacht“

Wegen ausstehender Lohnzahlungen in Höhe von 80.000 Mark besetzen Matrosen der Volksmarinedivision am 23. Dezember die Reichskanzlei und das Berliner Stadtschloss. Auf Befehl Eberts versuchen regierungstreue Truppen, das Schloss zu stürmen, was jedoch vereitelt werden kann. Dabei sterben 56 Soldaten, 11 Matrosen und mehrere Zivilisten. Aus Protest gegen den Angriff der Regierungstruppen verlässt die USPD am 29. Dezember den Rat der Volksbeauftragten. Am gleichen Tag schließen sich der Spartakusbund, Bremer Linksradikale und die Internationalen Kommunisten Deutschlands zur Kommunistischen Partei Deutschland (KPD) zusammen. Obwohl Rosa Luxemburg für die Teilnahme an der Wahl zur Nationalversammlung eintritt, entscheidet sich die Partei zum Boykott.

Aufstand ohne Unterstützung

Anfang Januar 1919 entlässt die nun alleinige MSPD-Regierung den Berliner Polizeipräsident Emil Eichhorn, da dieser nicht energisch genug gegen demonstrierende Arbeiter vorgegangen sei. Daraufhin rufen USPD, Revolutionäre Obleute und KPD zu einer Gegendemonstration auf. Hunderttausende Menschen folgen dem Aufruf, einige davon besetzen die Berliner Bahnhöfe sowie das Zeitungsviertel. Ein Provisorischer Revolutionsausschuss wird gewählt, der den bewaffneten Kampf gegen die MSPD-Regierung initiieren möchte. Sowohl Rosa Luxemburg wie auch der Großteil der Bevölkerung steht diesem Ansinnen distanziert gegenüber.

Mord und Wahl

Ebert befielt am 9. Januar die militärische Niederschlagung, die von Gustav Noske mit Hilfe von Armee und Freikorps durchgeführt wird. Am 15. Januar werden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Soldaten ermordet. Ein Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtag kommt rückblickend jedoch zu dem Ergebnis, dass die KPD die Unruhen nicht herbeigeführt, geschweige denn, diese maßgeblich geleitet hätte. Die Wahl zur Nationalversammlung ergibt eine deutliche Mehrheit der MSPD (37 Prozent), die mit der linksliberalen DDP (18 Prozent) und dem katholischen Zentrum (10 Prozent) die neue Regierung bildet. Die USPD erhält lediglich 7 Prozent der Stimmen.

Mit Soldaten gegen Arbeiter

Ende Januar wird die Bremer Räteregierung gewaltsam niedergeschlagen, 400 Menschen sterben. Unruhen in Berlin beantwortet Noske mit Militär, über tausend Menschen werden erschossen. Es kommt zur Ermordung führender Vertreter von KPD – etwa Leo Jogiches (Lebensgefährte von Rosa Luxemburg) – und USPD (Hugo Haase). Auch in Hamburg und Sachsen-Gotha setzt die Regierung Militär ein. Die Münchener Räterepublik wird am 2. Mai blutig beendet, über 1000 Menschen sterben bei den Kämpfen und den anschließenden standesrechtlichen Erschießungen durch Freikorps und Regierungstruppen.

Statistik: Links gleich rechts?

Der Sozialdemokrat Emil Julius Gumbel, der Privatdozent für mathematische Statistik an der Universität Heidelberg war, hat hat viel Material zu politischen Morden dieser Zeit gesammelt. Für die Zeit von 1918 bis 1922 hat Gumbel 22 von Linken verübte Morde erfasst, die zu 38 Verurteilungen führten, darunter zehn Hinrichtungen. In derselben Zeit wurden von Rechten 354 Morde verübt; dabei kam es zu 24 Verurteilungen. In 23 Fällen sprachen die Gerichte die geständigen Täter frei. Wenn linke Täter verurteilt wurden, betrug die Haftstrafe durchschnittlich 15 Jahre, bei rechten Tätern waren es vier Monate.

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