VVN-BdA: Überparteilich und antifaschistisch

01. Dezember 2022  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Quelle: R-mediabase, YouTube, 3.11.2016

Überparteilich, aber klar antifaschistisch – so fasste Ulrich Schneider die Geschichte der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) zusammen. Aber auch auf die jahrzehntelange staatliche Repression in der Bundesrepublik ging der Bundessprecher der Organisation ein.

Gemeinsam gegen Faschismus

Die Ursprünge der „Vereinigung der politischen Gefangenen und Verfolgten des Nazi-Systems“ (VVN) reichen bis 1945 zurück, als sich überall in den Besatzungszonen Komitees von politischen Gefangenen bildeten. Erklärtes Ziel war, für einen antifaschistischen, demokratischen Neubeginn zu streiten und gemeinsam Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit zum deutschen Faschismus zu leisten. „Die Pluralität der Menschen kann man an den damaligen Wahllisten ablesen“, erklärt Schneider. Damals war es selbstverständlich, dass sich Angehörige von CDU, Liberalen, SPD, KPD und Gewerkschaften gemeinsam in der VVN engagierten.

Alte Nazis in neuen Ämtern

Aufklärung bedeute, dass man in Zeitschriften Fotos von untergetauchten SS-Männern inserierte und fragte, wer „Wachmann xy“ gesehen habe. Doch der demokratischen Erneuerung waren enge Grenzen gesetzt. Im Zeichen des Kalten Krieges kamen schon schnell die alten NS-Eliten in bundesrepublikanische Führungspositionen. In Politik, Justiz, dem Sicherheitsapparat und der Wirtschaft hatten bald wieder einstige NSDAP- oder Gestapo-Mitglieder das Sagen.

BRD: Hitlerputsch und Rassegesetze

„Theodor Oberländer war einer der ‚Alten Kämpfer‘ vom Hitlerpusch 1923 in München“, erläuterte Schneider. Unter der Regierung Adenauer wurde er Bundesminister für Vertriebene (CDU). Hans Globke trat 1938 als juristischer Kommentator der Nürnberger Rassegesetze auf. Im Nachkriegsdeutschland wurde er Kanzleramtschef Adenauers.

Antifaschismus wird verboten

Schneider analysierte das damalige Klima am Ulmer Einsatzgruppen-Prozess (1958). Angehörigen verschiedener NS-Sicherheitsorgane wurde die Ermordung von über 5.500 Jüd*innen im deutsch-litauischen Grenzgebiet zur Last gelegt. Die Haftstrafen beschränkten sich jedoch nur auf drei bis 15 Jahre Haft. „Nur einzelnen überzeugten Antifaschisten wie Fritz Bauer ist es zu verdanken, dass so etwas wie der Auschwitz-Prozess (1963) überhaupt stattfand“, lobte er den einstigen Generalstaatsanwalt von Hessen. 1956 galt die VVN als „kommunistische Tarnorganisation“, in Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Hamburg und Niedersachsen wurde sie verboten.

Bund der Antifaschist*innen

Mit der 68er-Bewegung und der Außerparlamentarischen Opposition (APO) begann für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes eine neue Zeit. Man wollte sich für junge Menschen öffnen, die selbst keine Widerstandskämpfer in ihren familiären Reihen hatten. So kam es 1971 zu dem Zusatz „Bund der Antifaschist*innen“ (BdA). Deutlich wurde dieser Zuwachs auch 1975, als in Frankfurt a.M. der Tag der Befreiung begangen wurde. Rund 40.000 Menschen nahmen an der antifaschistischen Kundgebung teil.

Einerseits kam es so in den 80ern zu graswurzelartig organisierten Geschichtswerkstätten, die in ihrem Ort die nationalsozialistische Geschichte aufarbeiteten. Andererseits waren auch viele junge Menschen von politischen Berufsverboten betroffen, da die VVN-BdA immer noch als verlängerter Arm Moskaus gesehen wurde.

Kampagnenfähige Bündnisse

Mit der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch der DDR verlor die VVN-BdA auch einen großen Teil ihrer finanzieller Zuwendungen. Fast die Hälfte der Mitglieder trat um 1990 herum aus der Organisation aus. Doch schaffte man es auch, sich mit antifaschistischen Gruppierungen in den „neuen Bundesländern“ zu vereinigen. 2002 schlossen diese sich der VVN-BdA an. „Wir sind kampagnenfähig geworden“, beschrieb Schneider den aktuellen Entwicklungsgrad. So habe man etwa 185.000 Unterschriften für ein Verbot der NPD gesammelt und oftmals ein breites Bündnis von Autonomer Szene bis hin zu bürgerlichen Parteien bilden können.

Von CDU bis Antifa

Nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 kam es unter Beteiligung der VVN-BdA zu einer Allianz, die von CDU über Gewerkschaften, den Kirchen bis zur MLPD und der autonomen Antifa reichte. „Antifaschismus ist nur in breit aufgestellten Bündnissen erfolgreich“, brachte Schneider den gemeinsamen Grundkonsens der Beteiligten auf den Punkt. Illustre Blüten hatte diese parteiübergreifende Kooperation auf der politischen Gegenseite. „Die AfD Hamburg stellte eine 97-seitige Anfrage, ob die VVN-BdA denn von der Stadt bezahlt würde“, sagte Schneider.

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