Jacques Derrida und die „Grammatologie“

29. März 2024  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Wie Schrift und Sprache das Denken beeinflusst, erläuterte Jacques Derrida in seiner „Grammatologie“. Die 35. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung ging dem Werk des algerisch-französischen Philosophen nach.

Staatlicher Antisemitismus

Jacques Derrida wurde 1930 in einer jüdischen Familie in Algerien geboren und erlebte dort 1942 den staatlichen Antisemitismus des Vichy-Regimes. Die mit den Deutschen kollaborierende Regierung begrenzte den Anteil jüdischer Kinder in algerischen Schulen und wollte ihnen auch die französische Staatsbürgerschaft entziehen. Das Gesetz wurde erst durch Charles de Gaulle, Chef der „Freien Französischen Streitkräfte“, aufgehoben.

Gegen nationale Solidarität

Derrida zog 1949 nach Paris und ging als Stipendiat an die US-Universität Harvard. Seinen Militärdienst leistete er bis 1959 in Algerien ab, wo er als Englisch- und Französischlehrer tätig war. 1983 gründete er das Collège international de philosophie und wurde 2001 mit dem Adorno-Preis ausgezeichnet. 2004 starb Derrida in Paris. Lange Zeit sah er sich selbst nicht als jüdischen Denker und verweigerte sich einer nationalstaatlichen Solidarität. Indem er in späteren Lebensabschnitten als Jude sprach, identifizierte er sich jedoch trotzdem als Teil der jüdischen Gemeinschaft.

Schreiben und Denken

Sein 1967 veröffentlichtes Werk „Grammatologie“ wurde allein in den Vereinigten Staaten über hunderttausendmal verkauft. Er griff einen Gedanken von Marx und Engels aus ihrer „Deutschen Ideologie“ (1846) auf, in welchem sie das Bewusstsein nicht als rein geistigen Vorgang, sondern als eine materielle (Sprach)Praxis sehen. Derrida beschrieb die Grammatologie als Lehre von den Buchstaben, wobei das Verhältnis von Schrift und Sprechen in enger Beziehung zum menschlichen Denken stehe. Sprache und Schreiben bestünden aus Spuren, die auf ein Vorher und Nachher verwiesen und so Geschichte erzeugten.

Sprache und Schrift

Er kritisierte die eurozentrierte Fokussierung auf die Sprache, stelle das Sprechen an sich doch schließlich eine Art Ur-Schrift dar. Die Schrift hingegen könne nicht als genaues Abbild des Sprechens gesehen werden. In seinen Werken bezog sich Derrida viel auf Platon, Rousseau sowie die Phänomenologie.

Kein Kapital

In Deutschland wurden seine Schriften besonders in der Medienkommunikation diskutiert, sah er doch das Ende des Buch-Zeitalters gekommen. Auch konstatierte er, dass Medien eigene kulturelle Ordnungen erschaffen. Im Gegensatz zu Theodor W. Adorno beschäftigte er sich jedoch gar nicht mit der Kapitalreproduktion. Der bekannte Kopf der Kritischen Theorie hatte in seinen Werken festgestellt, dass sich diese vom 19. Jahrhundert aus bis in die 60er Jahre nicht geändert hätten.

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