Tag der Befreiung oder „Corona-Faschismus“?

26. April 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

In Berlin demonstrieren tausende Menschen, darunter viele Verschwörungsgläubige und Rechtsextreme, am 1. August 2020 unter dem Motto „Tag der Freiheit – Das Ende der Pandemie“ gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. (Leonhard Lenz, CC0)

Anlässlich des Tags der Befreiung (8. Mai) sprach Martina Renner über Rechtsextremismus in Deutschland und wie die Corona-Pandemie Antisemitismus in der Gesellschaft offenlegte. Das Gespräch war Teil der Reihe „Ausnahme&Zustand“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

„Tag des Zorns“

Schon seit jeher sei der 8. Mai ein umkämpfter Tag gewesen – für die einen der des Kriegsende, für die anderen Symbol für die Befreiung vom Nazi-Regime, erklärte Renner. 2020 hätten Angehörige der Opfer von Hanau mit dem „Tag des Zorns“ dieses Datum um eine weitere Facette erweitert – um die Enttäuschung, dass Gesellschaft und Behörden immer noch eine starke Nähe zu Rechtsextremismus haben und so die Morde an Migrant*innen erst möglich machten.

Feindeslisten und Anschläge

Ein Beispiel für eine extremistische Organisation sei etwa die Gruppe „Nordkreuz“. Dort habe man Waffen und Munition gesammelt sowie Feindeslisten für den „Tag X“ angelegt, um diese beim Sturz der demokratischen Regierung „abzuarbeiten“. Oder Franco A., der Bundeswehrsoldat, der getarnt als Flüchtling Anschläge begehen wollte, um so Stimmung gegen hilfesuchende Menschen zu machen.

Verschwörungserzählungen

„Verschwörungserzählungen, die durch Corona einen öffentlichkeitswirksamen Aufschwung erfahren haben, sind keineswegs neu“, erläuterte die Sprecherin für antifaschistische Politik der LINKEN im Bundestag. So ginge die sog. „Umvolkung“ von einem Austausch der deutschen Bevölkerung durch muslimische Flüchtlinge aus. Andere Behauptungen erklärten die Grenzöffnung für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge 2015 als von bestimmten Mächten organisiert, wobei Bundeskanzlerin Angela Merkel lediglich als deren ausführende Marionette agierte.

Antisemitismus

Das, was früher als „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“ oder „Zionist Occupied Government“ offen antisemitisch konnotiert war, sei während der Corona-Pandemie auf Kundgebungen als „Neue Weltordnung“ (NWO) zu hören gewesen. Dabei ginge es um eine geheime Weltregierung, deren Ziel die Unterdrückung bzw. Vernichtung der Menschheit sei.

Rechte mit linken Themen

Doch dass manche dieser Erzählungen auch bei linksorientierten Menschen verfangen, ist für Renner keine Überraschung. „Ken Jebsen greift mit der Bill&Melinda-Gates-Stiftung linke Kritik an der kapitalgeleiteten Wissenschaft auf“, sagte sie. Jebsen wende sich jedoch nicht gegen die kapitalistischen Strukturen an sich, sondern sähe das personifizierte Böse in der Einzelperson Bill Gates, welcher als geheimer Strippenzieher einen finsteren Plan durchsetzen wolle. Für Renner war die linke Antwort klar: „Will ich für die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes und die Beseitigung von Bildungsungerechtigkeit kämpfen oder alles Schlechte dieser Welt lediglich auf Bill Gates projizieren?“

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