Walter Benjamin und der Kapitalismus

18. März 2024  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0

Einkaufsmeilen als eine Traumwelt, aus der es zu erwachen gilt, um die Gesellschaft hin zu einer echten Bedürfnisbefriedigung zu organisieren – das ist die Botschaft, die Walter Benjamin in seinem unvollendet gebliebenen „Passagenwerk“ vermittelt. Die siebte Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit dem Vertreter der Frankfurter Schule.

Flucht vor den Nazis und Tod

14 Jahre beschäftigte sich Walter Benjamin mit dem „Passagenwerk“, das seinen Namen von den Pariser Passagen – überdachten Einkaufsmeilen – hat. Auf 900 Seiten wollte der Philosoph in Stichpunkten das Paris des 19. Jahrhunderts beschreiben, etwa mit Begriffen wie „Mode“, „Barrikadenkampf“ oder „Eisenkonstruktionen“. Der 1892 geborene säkulare Jude nahm sich schließlich 1940 in einer spanischen Grenzstadt, um einer möglichen Auslieferung an die Deutschen zu entgehen, das Leben.

Kulturpraxis „Kaufen“

Zuvor war Benjamin nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 ins Exil nach Paris gegangen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er als Deutscher von den französischen Behörden interniert, schaffte es jedoch vor dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris, über Lourdes nach Spanien zu entkommen. Mit seinem an die Einkaufsmeilen der Seine-Metropole angelehnten Werk will er ausdrücken, dass die „Ware“ eine umfassende Kulturpraxis ist, da alles in der Öffentlichkeit ausgestellt werde.

Kapitalistische Traumwelt

Die Einkaufsmeile wird als eine Art Traumbereich gesehen, aus dem es gilt, zu erwachen. Das traumhafte sei, dass den Waren ein ihnen innewohnender Wert impliziert werde, den man durch Geld abbilden könne. So lebten die Menschen in einer konsum- und kapitalismusorientierten Scheinwelt, nicht jedoch in der Realität. Diese Erkenntnis soll den Leser berühren und ihn zum Handeln gegen den Fetischcharakter der Ware (Karls Marx) anregen.

Neue Gesellschaft ist möglich

Die in den 30er Jahren beschriebenen „Kulturtempel“ und „Traumorte“ der französischen Hauptstadt sind heutzutage Rückzugsräume für wohnungslose Menschen. Damit wird der Traum nach einem menschenwürdigen Leben in der kapitalistischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts Lügen gestraft. Doch Benjamin zufolge könne eine wirkliche Befriedigung menschlicher Bedürfnisse möglich sein, sofern man aus dem Konsumtraum aufwache und die Gesellschaft anders organisiere.

Konsum zerstört den Planet

Das Shoppen, das zur Zeit Benjamins begann und sich in der Nachkriegsgesellschaft zu einem eigenen Hobby entwickelte, führt unseren Planeten mittlerweile an seine ökologischen Belastungsgrenze. Doch bewahrheitet sich seine Voraussage, dass viele Akteur*innen das herrschende System einfach so weiterführen wollen, wie bisher. So ist die Konsumorientierung von damals gleich geblieben, beziehungsweise hat sich mit Amazon, Lieferando oder Temu um ein Vielfaches verschärft.

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